ETH Zürich

Öffentliche und private Beratung beeinflussen die Strategien zur Schädlingsbekämpfung

Does it Matter Who Advises Farmers? Pest Management Choices with Public and Private Extension (Open Access)

Obst- und Weinbauproduzenten, die Informationen aus öffentlicher Hand erhalten, setzen mit höherer Wahrscheinlichkeit vorbeugende Massnahmen wie Netze oder Hygienemassnahmen gegen die Kirschessigfliege ein. Produzenten mit Beratung von privaten Unternehmen, die Pflanzenschutzmittel verkaufen, verwenden wahrscheinlicher synthetische Insektizide.

Die Kirschessigfliege kann zu erheblichen Schäden im Obst- und Weinbau führen und erfordert die Umsetzung kostspieliger Massnahmen (Knapp et al. 2020). Zur Bekämpfung steht Produzentinnen und Produzenten eine breite Palette von Massnahmen zur Verfügung, aber keine von ihnen ist für sich allein genommen völlig wirksam und nicht alle sind immer kosteneffizient. Darüber hinaus besteht eine grosse Unsicherheit über die Wirksamkeit der jeweiligen Massnahmen, da die Kirschessigfliege ein relativ neuer Schädling ist und bisher nur begrenzt Erfahrungen gesammelt werden konnten. Im Obst- und Weinbau häufig angewandte Schädlingsbekämpfungsstrategien umfassen insbesondere: (i) präventive, nicht-chemische Massnahmen (wie z.B. Netze, angepasstes Erntemanagement, verschiedene Hygienemassnahmen), und (ii) den Einsatz synthetischer Insektizide*. Präventive Massnahmen verringern unter sonst gleichen Bedingungen den Schädlingsdruck und tragen so zu einem geringeren Insektizideinsatz bei.

Umfrage zur Bekämpfungsstrategie der Kirschessigfliege

In wiederholten Umfragen über den Zeitraum 2016–2018 wurde bei Schweizer Kirsch-, Zwetschgen-, Beeren- und Weinproduzenten die von ihnen gewählten Strategien im Umgang mit der Kirschessigfliege erfragt (die Befragung wurde in allen Landessteilen durchgeführt, siehe Knapp et al. 2020). Darüber hinaus wurde erhoben, von wem Produzenten ihre Informationen zum Umgang mit der Kirschessigfliege erhalten. Dazu standen diverse Kategorien zur Auswahl. Diese umfassen insbesondere Informationsquellen von privaten Unternehmen, die Pflanzenschutzmittel verkaufen (Pflanzenschutzmittelhersteller, Vertriebsakteure) und der öffentlichen Hand (z.B. kantonale Beratungsdienste aber auch Kanäle und Veranstaltungen von Agroscope). Die Nutzung von Informationsquellen aus der öffentlichen Hand ist in der Analyse immer mit einem Zusatzaufwand (z.B. Besuch einer Veranstaltung, aktive Kontaktaufnahme, Abonnieren eines Newsletters) verbunden. Mehrfachnennungen waren möglich. Wir nutzten Daten von 733 nicht-biologisch produzierenden Betrieben und untersuchten mittels Regressionsanalysen den Zusammenhang zwischen i) der Nutzung präventiver Massnahmen sowie ii) dem Insektizideinsatz und den von den Produzenten genutzten Informations- und Beratungskanälen. Dabei wurde eine Vielzahl anderer Faktoren kontrolliert, die die gewählten Strategien beeinflussen. Zudem wurde in der Analyse für diverse Quellen korrigiert, die die Ergebnisse verzerren könnten. Zum Beispiel dafür, dass Betriebe, die die Beratung privater Firmen in Anspruch nehmen, sich strukturell von denen unterscheiden, die öffentlich beraten werden (z.B., Unterschiede in Grösse und Spezialisierung).

Öffentliche Beratung erhöht die Nutzung von präventiven Massnahmen

In allen Analysen findet sich eine klare und robuste Aussage: Produzenten, die Informationen und Beratung aus öffentlicher Hand erhalten, nutzen mit höherer Wahrscheinlichkeit (9–10%) vorbeugende Massnahmen (z.B. Netze, Hygienemassnahmen), während Produzenten, die Informationen von privaten Firmen erhalten, die Pflanzenschutzmittel verkaufen, mit höherer Wahrscheinlichkeit (8–9%) synthetische Insektizide verwenden.

* Siehe auch Details der Task Force Drosphila Suzukii und Wüpper et al. (2020) für die Liste der hier abgefragten Massnahmen. Darüber hinaus spielt das Steinmehl Kaolin in manchen Kulturen (insb. Wein) eine wesentliche Rolle zur Vermeidung des Befalls, ohne das Risiken für Mensch und Umwelt entstehen. Beim Einsatz von Kaolin finden wir keine Unterschiede bzgl. des Informations- und Beratungskanals.

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Weiterführende Informationen

Dieser Beitrag ist in ähnlicher Form im Agrarpolitik Blog erschienen https://agrarpolitik-blog.com. David Wüpper und Robert Finger sind an der Gruppe für Agrarökonomie und -politik der ETH Zürich. Nikolaus Roleff war Masterstudent in der Gruppe. Kontakt: Robert Finger, rofinger@ethz.ch & David Wüpper, dwuepper@ethz.ch

Literatur

Knapp, L., Mazzi, D., Finger, R. (2020). The economic impact of Drosophila suzukii: perceived costs and revenue losses of Swiss cherry, plum and grape growers. Pest Management Science. In Press  https://doi.org/10.1002/ps.6110 (open access)

Möhring, N., Ingold, K., Kudsk, P., Martin-Laurent, F., Niggli, U., Siegrist, M., Studer, B., Walter, A., Finger, R. (2020). Pathways for advancing pesticide policies. Nature Food 1, 535–540. https://doi.org/10.1038/s43016-020-00141-4

Fazit

  • Produzentinnen und Produzenten, die Informationen und Beratung aus öffentlicher Hand erhalten, nutzen mit höherer Wahrscheinlichkeit vorbeugende Massnahmen (z.B. Netze, Hygienemassnahmen); während solche, die Informationen von privaten Unternehmen erhalten, die Pflanzenschutzmittel verkaufen, mit höherer Wahrscheinlichkeit synthetische Insektizide verwenden.
  • Beratung, Bildung und Information müssen negative externe Effekte des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln auf Mensch und Umwelt berücksichtigen. Der Einsatz alternativer, präventiver Strategien, die den Schädlingsdruck vermeiden und geringere externe Effekte haben, muss gestärkt werden.
  • Unabhängige Beratung und Information aus öffentlicher Hand spielt dabei eine zentrale Rolle. Diese kann daher private Aktivitäten sinnvoll ergänzen.
  • Alternativen zum Pflanzenschutzmitteleinsatz können attraktiver gemacht werden, z.B. indem die Wirksamkeit präventiver Strategien erhöht und Kosten reduziert werden.
  • All dies sollte Teil einer ganzheitlichen Pflanzenschutzmittelpolitik sein (siehe Möhring et al. 2020).
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