Agroscope, Labor Spiez, Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV)

Konsum von roher Ziegenmilch: Welches Risiko besteht für eine Infektion mit FSME-Viren?

Artikel in Journal of Food Safety and Food Quality, (2020)

Die Erreger der Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) können durch den Konsum von Rohmilch und Rohmilchprodukten infizierter Ziegen auf den Menschen übertragen werden. Das Risiko wird als gering erachtet und besteht am ehesten beim Eigenverbrauch auf dem Bauernhof.

Fälle von Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) nehmen in der Schweiz seit einigen Jahren zu. Obwohl diese virale Infektionskrankheit in der Regel durch Zeckenstiche auf den Menschen übertragen wird, sind in den letzten Jahren im deutschsprachigem Raum Fälle bekannt geworden, die durch den Verzehr von Ziegenrohmilch und Ziegenrohmilchprodukten verursacht wurden. Schwere Krankheitsverläufe sind meist biphasisch, wobei die infizierte Person in der ersten Phase grippeähnliche Symptome aufweist. In der zweiten Phase kann die Infektion das zentrale Nervensystem (Hirn, Hirnhäute, Rückenmark) befallen und damit neurologische Schäden (z.B. Lähmungserscheinungen) verursachen, die zum Tod führen können.

Fachleute von Agroscope, dem Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und dem Labor Spiez haben eine Risikobewertung für mit dem FSME-Virus kontaminierte Ziegenmilch in den alpinen Regionen des Kantons Wallis erstellt. Die Berechnungen basieren hierbei auf den aktuellen Daten aus der Literatur und einer im Kanton Wallis durchgeführten Studie zur Seroprävalenz (Häufigkeit spezifischer Antikörper im Blutserum) von FSME-spezifischen Antikörpern bei Ziegen.

Die Wahrscheinlichkeit einer durch FSME-Viren kontaminierten Milch ist sehr gering

Die Berechnung setzt voraus, dass eine infizierte Ziege das Virus nur während einer kurzen virämischen Phase von durchschnittlich sieben Tagen über die Milch ausscheidet. Des Weiteren wurde für die Risikobewertung nur die Haushaltsmilch berücksichtigt, was ungefähr 4 % der jährlich produzierten Ziegenmilch in der Schweiz ausmacht (Stand 2018). Diese Milch wird direkt auf dem Bauernhof verarbeitet und ist für den Eigenkonsum bestimmt. Da dieses Ausgangsprodukt keinen externen Kontrollen unterliegt und, im Gegensatz zur vermarkteten Milch, auch ohne Hitzebehandlung konsumiert oder weiterverarbeitet wird, stellt dies für die Risikoeinschätzung das höchste Virusübertragungsrisiko dar.  Für die Risikobewertung wurde die experimentell nachgewiesene Seroprävalenz innerhalb von Ziegenpopulationen im Gebiet Wallis berücksichtigt und die Annahme getroffen, dass innerhalb einer Ziegenherde durchschnittlicher Grösse alle Tiere innerhalb der ersten drei bis vier Lebensjahre eine Infektion mit FSME-Viren durchleben. Die daraus errechnete Wahrscheinlichkeit einer virenkontaminierten Haushaltsmilch liegt zwischen 0,0012 % und 0,024 % (ca. eine aus 5000 Milchproben).

Das Risiko ist gering – die Problematik aktuell!

Die errechnete Wahrscheinlichkeit, dass eine Ziegenmilch im ausgewählten alpinen Gebiet in der Schweiz infektiöse FSME-Viren enthält, ist sehr gering und deckt sich mit den geringen FSME-Fallzahlen im deutschsprachigen Raum, bei welchen die Krankheit nachweislich über die alimentäre Infektionsroute erworben wurde. Nichtdestotrotz konnten in Deutschland und Österreich in den letzten Jahren insgesamt acht Fälle dokumentiert werden, wobei der Konsum von Ziegenrohmilchfrischkäse zur Erkrankung führte.

Der aktuellste Fall von alimentär übertragener FSME in Zentraleuropa wurde letztes Jahr (2020) in Frankreich in der Region Auvergne-Rhône-Alpes, unweit der Schweizer Grenze, dokumentiert. Es wurden insgesamt 37 Personen untersucht, die nach dem Verzehr von Ziegenrohmilchkäse typische Symptome zeigten. Für die Mehrzahl der untersuchten Personen konnte die alimentäre Übertragungsroute von FSME wissenschaftlich nachgewiesen werden.

Mit gezielten Massnahmen lässt sich eine Erkrankung durch FSME-Viren verhindern. Zum einen bietet die FSME-Impfung einen effektiven Schutz gegen eine Infektion. Zum anderen lässt sich das Virus durch thermische Behandlung inaktivieren. Für die Rohmilchverarbeitung wird daher eine ausreichende thermische Behandlung durch Pasteurisierung, Ultrahocherhitzung oder Kochen empfohlen.

Fazit

  • Durch den Konsum von Rohmilch und Rohmilchprodukten können FSME-Viren von infizierten Ziegen auf den Menschen übertragen werden.
  • Die Wahrscheinlichkeit einer durch FSME-Viren belasteten Milch ist sehr gering, jedoch wurden in den letzten Jahren in Zentraleuropa vermehrt Fälle von alimentär übertragener FSME beobachtet.
  • Durch eine ausreichende thermische Behandlung der Rohmilch können FSME-Viren inaktiviert werden.
  • Die FSME-Impfung bietet einen effektiven Schutz vor dem viralen Krankheitserreger.   
Zum kompletten Archiv