Agroscope

Weniger Naturalertrag durch Verzicht auf Pflanzenschutzmittel im Ackerbau

Agroscope Science Nr. 125, 1-31, 2021

Eine Befragung von 18 Expertinnen und Experten aus der ganzen Schweiz zeigt auf, welche Auswirkungen ein vollständiger oder teilweiser Verzicht auf Pflanzenschutzmittel auf den Naturalertrag im Ackerbau hätte.

Diverse Studien belegen, dass ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel (PSM) im Ackerbau in der Regel mit Ertragseinbussen einhergeht. Die Einbussen können jedoch je nach Kultur, Anbauverfahren und regionalem Schädlings- und Krankheitsdruck sehr unterschiedlich ausfallen.

Für die Schweiz liegen nur wenige Angaben zur Frage vor, wie sich ein Verzicht auf PSM auf die Naturalerträge im Ackerbau auswirken würde. Solche Informationen sind jedoch notwendig, um die ökonomischen Folgen eines PSM-Verzichts für die Schweizer Landwirtschaft abschätzen zu können.

Ertrag sinkt bei Totalverzicht am stärksten, bei Herbizidverzicht am geringsten

Mit Hilfe einer zweistufigen, qualitativen Online-Befragung wurden 18 Pflanzenschutz-Expertinnen und -Experten aus der ganzen Schweiz dazu befragt, welche Auswirkungen die Massnahmen hätten, die gemäss der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» (Pa. Iv.) mit Direktzahlungen gefördert werden sollen:

  • Ackerbau ohne Insektizide, ohne Fungizide und ohne Halmverkürzungsmittel
  • Ackerbau ohne Herbizide
  • Ackerbau ohne alle PSM

Bei einem Totalverzicht auf alle PSM sehen die Experten und Expertinnen die grössten Ertragsverluste. Am geringsten wären die Einbussen bei einem alleinigen Herbizidverzicht.

Grosse Unterschiede zwischen den Kulturen

Die Befragungen zeigen, dass die erwarteten Ertragseinbussen je nach Kulturart stark schwanken: So senkt der Totalverzicht auf PSM den Ertrag bei Zuckerrüben um 47 %, bei Sonnenblumen im heutigen Nicht-Extenso-Anbau hingegen nur um rund 16 % (im Vergleich zum mittleren Referenzertragsniveau gemäss zentraler Auswertung von Buchhaltungsdaten und Deckungsbeitragskatalog).

Beim Verzicht auf Insektizide, Fungizide und Halmverkürzungsmittel schwanken die Naturalertragsverluste zwischen 10 % bei Sonnenblumen bis knapp 38 % bei Zuckerrüben. Bei Raps wäre durch den Wegfall der Insektizide mit Mindererträgen von bis zu 43 % zu rechnen. Bei Kartoffeln würde der Ertrag um zirka 29 % sinken, obwohl bei dieser Kultur gemäss heutiger Auslegung der Parlamentarischen Initiative gewisse Präparate eingeschränkt zugelassen wären.

Bei einem Herbizidverzicht im Ackerbau wäre mit Ertragseinbussen von 6 bis 21 % zu rechnen. Am stärksten betroffen wären Zuckerrüben (21 %) und Hülsenfrüchte (16 %) wie Ackerbohnen und Eiweisserbsen. Für Raps, Weizen und Gerste ergaben sich durchschnittliche Mindererträge von 8 bis 9 %.

Resistente Sorten und Nützlingsstreifen als Gegenmittel

Als wirksames Mittel zur Abmilderung der Ertragsverluste schätzen die Expertinnen und Experten verschiedene Managementmassnahmen ein. Besonders viel versprechen sie sich für den Fall, dass Insektizide, Fungizide und Halmverkürzungsmittel weggelassen werden, vom Einsatz widerstandsfähiger Sorten sowie von Nützlingsstreifen.

Fazit

  • Schweizer Pflanzenschutzexpertinnen und -experten wurden in einem zweistufigen, qualitativen Verfahren befragt, wie sich ein Verzicht auf Pflanzenschutzmittel (PSM) auf die Naturalerträge auswirkt. Sie erwarten je nach Intensität des Verzichts und je nach Kultur unterschiedlich starke Verluste.
  • Die grössten Naturalertragsminderungen im Ackerbau sind bei einem Totalverzicht auf alle PSM zu erwarten (16−47 %).
  • Beim Verzicht auf Insektizide, Fungizide und Halmverkürzungsmittel schwanken die Ertragsverluste zwischen 10–43 %.
  • Die Mindererträge durch einen ausschliesslichen Herbizidverzicht wären laut Schätzung mit 6–20 % am geringsten.
  • Laut der Expertengruppe sind das Anlegen von Nützlingsstreifen oder der Einsatz widerstandsfähiger Sorten erfolgversprechende Massnahmen, um die Verluste abzumildern.
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