Agroscope, ETH Zürich

Szenarien für die Agrarpolitik im Zeitalter der Digitalisierung

Scenarios for European agricultural policymaking in the era of digitalisation
Projektbericht (deutsch)

Wie verändert die Digitalisierung Landwirtschaft und Agrarpolitik? Ein europäisches Team mit Beteiligung von Agroscope, dem BLW und der ETH entwickelte vier Szenarien und leitete Strategien zur zukünftigen Erreichung agrarpolitischer Ziele ab.

Die Digitalisierung des Agrar- und Ernährungssektors schreitet voran. Unklar bleibt, wie sie die zukünftige Landwirtschaft verändert. Auch auf die Erreichung agrarpolitischer Ziele, z. B. die sichere Versorgung mit Nahrungsmitteln, den Schutz der natürlichen Ressourcen oder die ökonomische und soziale Attraktivität des Sektors, könnte sich die Digitalisierung auswirken. Die Agrar- und Ernährungspolitik muss sich auf solche unsicheren Zukunftsaussichten vorbereiten.

Um mögliche Entwicklungen aufzuzeigen, haben wir Szenarien der Digitalisierung des Agrar- und Ernährungssektors für Europa im Jahr 2030 entwickelt und daraus entstehende Lücken in der Erreichung agrarpolitischer Ziele abgeleitet. Die Szenarien wurden partizipativ in einem Workshop mit europäischen Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Verwaltung entwickelt. Eine Delphi-Studie mit den gleichen Personen lieferte die Diskussionsbasis und ermittelte die wichtigsten agrarpolitischen Ziele.

Vier Szenarien der Digitalisierung

Die Szenarien können entlang zweier Achsen beschrieben werden (Abb. 1). Die horizontale Achse illustriert, wie stark das politische, wirtschaftliche und soziale Umfeld die Nutzung digitaler Technologien unterstützt. Die vertikale Achse zeigt, wie heterogen die Technologien der Digitalisierung sind bzw. genutzt werden können. So ergeben sich vier Szenarien:

  • Light Digitalisation: Die Digitalisierung entwickelt sich wie bisher mit diversen Technologien, Firmen und Organisationsformen. Das schwach unterstützende Umfeld der Digitalisierung wird von landwirtschaftlichen Akteuren und der Regierung dominiert. Es gibt keine zentrale Kontrolle über Daten. Die Innovationsraten sind niedrig
  • Autonomous Technology: Autonom arbeitende und kommunizierende digitale Technologien dominierender Technologiefirmen bestimmen die Produktion. Die Innovationsrate im Land- und Ernährungssektor ist hoch und die Daten werden offen geteilt.
  • Digital Food Business: Digitalisierte Firmen der Nahrungsmittelindustrie dominieren die Landwirtschaft, die sie nach von ihnen selbst gehaltenen Konsumentendaten ausrichten. Der Einfluss der landwirtschaftlichen Betriebe und die Steuerung des Sektors durch die Regierung sind unbedeutend.
  • Digital Regulation: Digitale Technologien und Daten konzentrieren sich in der Hand der Regierung, die mit ihnen den Agrar- und Ernährungssektor stark reguliert. Die Akzeptanz hierfür ist in der Land- und Ernährungswirtschaft gering, während die Innovationsraten niedrig sind.
Abb. 1: Vier Szenarien politikrelevanter Digitalisierung des europäischen Agrar- und Ernährungssektors.

Bedeutung der Szenarien für die Agrarpolitik

Diese Szenarien zeigen unterschiedliche Herausforderungen für die zukünftige Erreichung agrarpolitischer Ziele auf, wie etwa die einseitige Ausrichtung auf Daten von Firmen der Nahrungsmittelindustrie, Abhängigkeit von Algorithmen oder erschwerte Innovationsmöglichkeiten. Es ist zwar denkbar, dass sich Elemente aus den vier Szenarien gleichzeitig entwickeln. Trotzdem lassen sich Strategien für die Agrarpolitik skizzieren.
Im Szenario «Light Digitalisation» könnte z.B. der Ausbau der digitalen Infrastruktur und von Kompetenzen helfen die agrarpolitischen Ziele zukünftig zu erreichen. Für die anderen Szenarien sind Strategien zur Unterstützung von Sonderfällen, wie Landwirtschaft auf speziellen Standorten oder Care Farming, und Diversität, wie z.B. von Bewirtschaftungspraktiken oder gehaltenen Tieren, bedeutend.

Fazit

  • Die Digitalisierung des Agrar- und Ernährungssektors wird auch die zukünftige Erreichung agrarpolitischer Ziele verändern. Die Agrar- und Ernährungspolitik muss dies antizipieren und sich proaktiv anpassen.
  • Vier Szenarien wurden entwickelt. Sie unterscheiden sich hauptsächlich darin, wie stark das Umfeld die Nutzung digitaler Technologien unterstützt und ob die Technologien durch wenige oder viele Akteure kontrolliert werden.
  • Grundlegende Strategien zur Adressierung zukünftiger Lücken in der Erreichung agrarpolitischer Ziele umfassen die Verbesserung der digitalen Infrastruktur und Kompetenzen im Agrar- und Ernährungssektor.
  • Eine wichtige komplementäre Strategie ist die Stärkung der Diversität von Akteuren und Praktiken um Sonderfällen und unvorhersehbaren Ereignissen flexibel begegnen zu können.
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