Agroscope, Universität Basel

Vielfalt im Schweizer Pflanzenschutz

Um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren, muss man wissen, aufgrund welcher Verhaltensmuster Landwirtinnen und Landwirte Pflanzenschutzmittel in ihren Kulturen einsetzen. Eine Agroscope-Studie untersuchte dies in der Schweiz.

Aus der sozialwissenschaftlichen Forschung ist bekannt, dass das Verhalten von Landwirtinnen und Landwirten nicht nur durch rationale Entscheidungen, sondern auch durch routinierte Handlungen bestimmt wird. Anhand von Interviews und einer Umfrage unter Landwirtinnen und Landwirten analysierte Agroscope Pflanzenschutzpraktiken unter diesem Gesichtspunkt. Die Forschenden konnten fünf Typen von Praktiken unterscheiden. Obwohl auf einem Betrieb mehrere Typen von Pflanzenschutzpraktiken parallel angewendet werden können, z. B. auf verschiedenen Feldern oder Kulturen, scheint pro Betrieb jeweils ein Typ vorherrschend zu sein. Es war kein Ziel der Studie zu untersuchen, wie viele und welche Landwirte welche Praktiken einsetzen. Vielmehr wollte man wissen, welche routinierten Handlungen bei Pflanzenschutzmassnahmen relevant sind, und so Tendenzen aufzeigen und Denkanstösse liefern für folgende Fragestellung: Welche politischen Massnahmen könnten in welchem Fall dazu beitragen, den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren.

Konventioneller Pflanzenschutz

Bei dieser Pflanzenschutzpraktik verlassen sich die Landwirtinnen und Landwirte auf bewährte Methoden und setzen Pflanzenschutzmittel (PSM) nach einem Behandlungsplan oder einer -strategie ein, die sie zu Beginn des Anbaujahres entwickeln. Diese Strategie basiert auf der eigenen Erfahrung und einer (häufig privatwirtschaftlichen) Beratung. Die persönliche Identität von jeder Landwirtin und jedem Landwirt wird durch den Betrieb und seine Erzeugnisse bestimmt, die oft für den Grosshandel produziert werden und daher strengen Anforderungen unterliegen. Auch das Streben nach «sauberen Feldern» und hohen Erträgen spielt hier eine Rolle.

Low-Input-Pflanzenschutz

Der Leitgedanke hierbei ist die marktorientierte, strategische Entwicklung des Betriebes. Dies geschieht vor allem über die Produktion für gefragte Labels wie IP-Suisse oder Bio Suisse. Die Betriebe können von Preisprämien profitieren, sodass sie «ihren ökologischen Mehrwert auf dem Markt zu Geld machen können», so ein Umfrageteilnehmer. Direktzahlungen sind wichtig zur Absicherung der Risiken beim reduzierten PSM-Einsatz. Schädlinge und Krankheiten werden bis zu einem bestimmten Niveau toleriert; dies auch aus dem Wunsch heraus, den Pflanzenschutz in Einklang mit eigenen und gesellschaftlichen Ansprüchen zu bringen.

Pflanzenschutz, der Kosten- und Arbeitsaufwand minimiert

Diese Praktik basiert auf der Idee, dass Pflanzenschutz kosteneffizient sein muss und keinen besonders hohen Arbeitsaufwand erfordern soll. Die Betriebe verstehen es, die geringeren Erträge der extensiven Produktion durch eingesparte Arbeit und Direktzahlungen zu kompensieren. Jedoch wird der Betrieb oft im Nebenerwerb geführt und der Erhalt des Landes ihrer Vorfahren steht im Vordergrund.

Outsourcing von Pflanzenschutz an Lohnunternehmen

Bei Betrieben, die diesen Pflanzenschutztypus vertreten, liegen das Hauptinteresse und die Kompetenzen der Betriebsleitenden nicht im Pflanzenbau, sondern in der Viehzucht oder Milchwirtschaft. Für den Pflanzenschutz beschäftigen sie deshalb Lohnunternehmen, die meist auf chemisch-synthetische PSM setzen. Für die Landwirtin oder den Landwirt ist die Auslagerung mit hohen Fixkosten verbunden, sodass der Versuch, den PSM-Einsatz zu verändern, wirtschaftlich riskant wäre.

Agrarökologischer Pflanzenschutz

Bei dieser Praktik orientiert sich Pflanzenschutz an agrarökologischen Prinzipien und regenerativer Landwirtschaft. Ein häufig geäusserter Sinn und Ziel dieses ganzheitlichen Ansatzes sind gesunde Böden als Grundlage einer umweltschonenden Landwirtschaft. Die Landwirtinnen und Landwirte sehen sich als Verbündete der Natur. «Aufbauend arbeiten, nicht tötend» ist eine typische Aussage, die diesen Ansatz widerspiegelt.

Fazit

  • «Den» Pflanzenschutz gibt es in der Schweizer Landwirtschaft nicht. Vielmehr zeigt sich eine Vielfalt an unterschiedlichen Praktiken und Verhaltensmustern im Pflanzenschutz.
  • Diese wurden in fünf Typen von Pflanzenschutzpraktiken eingeteilt. Je nach Typ kann erwartet werden, dass politische Massnahmen zur Reduktion des PSM-Einsatzes unterschiedlich wirken.
  • Wirtschaftliche Überlegungen und Kompetenzen spielen bei (fast) allen Gruppen eine Rolle, weshalb zielgerichtete finanzielle Anreize, Aus- und Weiterbildung sowie Beratung wichtige Instrumente sind, um den PSM-Einsatz zu reduzieren. Jedoch kommen in unterschiedlicher Weise auch «weiche» Faktoren wie soziale Normen, persönliche Werte und die Identität als Landwirtin oder als Landwirt hinzu. Diese können die anderen Faktoren überlagern und müssen mitberücksichtigt werden, um die Wirksamkeit von neuen Massnahmen bewerten zu können.
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