Agroscope, Thünen-Institut, Universität Hohenheim

Wie lässt sich die soziale Nachhaltigkeit von Familienbetrieben messen?

Bisherige Kriterien zur Messung der sozialen Nachhaltigkeit stossen bei Familienbetrieben an Grenzen. Wir schlagen vor, sich auf die Arbeitsbelastung zu konzentrieren. Erste Resultate zeigen: Der Indikator ist einfach messbar und aussagekräftig.

Die soziale Nachhaltigkeit ist neben der wirtschaftlichen und ökologischen Nachhaltigkeit eine der drei Säulen der Nachhaltigkeit. Doch wie lässt sich die soziale Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft messen?

Fokus auf Angestellte in Familienbetrieben wenig hilfreich

Bisherige Kriterien sozialer Nachhaltigkeit beruhten auf Aspekten, die für Arbeitnehmende relevant sind, zum Beispiel die Möglichkeit, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Doch in Familienbetrieben leisten Familienangehörige einen Grossteil der Arbeit, oftmals haben sie gar keine Angestellte. Für sie sind solche Indikatoren wenig hilfreich. Unser Ziel war es deshalb, einen Indikator zu entwickeln, mit dem sich Familienbetriebe einfach und automatisiert in Bezug auf die eigene soziale Nachhaltigkeit bewerten können.

In der Schweiz ist in der Landwirtschaft bezüglich sozialer Nachhaltigkeit vor allem die Arbeitsbelastung ein Problem. Je nach Berechnungsweise arbeiten Landwirtinnen und Landwirte durchschnittlich 60 Stunden pro Woche oder mehr. Da Arbeitsüberlastung erhebliche gesundheitliche Folgen, darunter Burnout, haben kann, ist sie ein plausibler Indikator für soziale Nachhaltigkeit.

Verhältnis von Arbeitsressourcen und erforderlichem Aufwand

In einem ersten Schritt haben wir einen Indikator entwickelt, der das Verhältnis zwischen den verfügbaren Arbeitsressourcen und den erforderlichen Arbeitsressourcen basierend auf dem Arbeitszeitbedarf erfasst. Anschliessend wurde der Indikator in einer Pilotstudie für 60 Milchviehbetriebe berechnet, die je zur Hälfte aus der Tal- und aus der Bergregion stammen. Milchviehbetriebe sind zum einen der dominierende Betriebstyp in der Schweiz und zum anderen besonders von Überlastung betroffen. In einem zweiten Schritt wurden die Resultate mit einer aufwändigeren Berechnungsmethode verglichen. Sie bestätigte, dass es möglich ist, mit dem einfacheren Indikator wichtige Trends bezüglich der Arbeitsbelastung zu identifizieren.

Überlastung in Talregion grösser als im Berggebiet

Beide Studien ergaben, dass etwa ein Drittel aller Betriebe unter potenzieller Überlastung leidet. Die Pilotstudie zeigte zudem, dass es möglich ist, mit Hilfe des einfachen Indikators Unterschiede zwischen Gruppen, beispielsweise zwischen Tal- und Berggebiet, zu ermitteln. Gemäss Indikator ist nämlich die Überlastung im Talgebiet grösser als in den Bergen. Allerdings spielt vermutlich auch der Grad der Mechanisierung und die Auslagerung von Arbeit an Lohnunternehmen eine Rolle, die im Tal ausgeprägter sind als im Berggebiet. Diese Faktoren müssten in Zukunft bei der Berechnung des Indikators berücksichtigt werden.

Automatisierte Berechnung in Farmmanagement-System möglich

Berechnet wurde der Indikator für Betriebe, deren Daten zufällig und anonymisiert aus der AGIS-Datenbank des Erhebungsjahres 2013 gezogen wurden. Der Arbeitszeitbedarf wurde mit der Softwareanwendung Global Work Budget (GWB) ermittelt, die auch im Online-Tool LabourScope von Agroscope verwendet wird. Der Indikator könnte in Zukunft in Farmmanagement-Informationssysteme wie barto integriert und automatisiert berechnet werden.

Ein weiterer Schritt könnte auch die Bereitstellung eines Benchmarking-Systems sein, in dem die Landwirtinnen und Landwirte prüfen können, wie die Arbeitsbelastung auf ihrem Betrieb im Vergleich zu den Vorjahren oder zu anderen Betrieben abschneidet. Der Vergleich des Indikators des eigenen Betriebs mit anderen Betrieben in der Region oder mit der gleichen Ausrichtung könnte eine Verbesserung der Arbeitsorganisation durch die Veränderung der Produktion oder die Einstellung einer Arbeitskraft bewirken.

Fazit

  • Die Arbeitsbelastung ist ein wichtiger Aspekt sozialer Nachhaltigkeit.
  • Ein einfach anwendbarer, aussagekräftiger Indikator ist das Verhältnis von vorhandenen Arbeitsressourcen und nötigem Arbeitszeitbedarf.
  • Erste Berechnungen zeigen: Etwa ein Drittel der untersuchten 60 Milchviehbetriebe war potenziell überlastet.
  • In der Talregion ist die Überlastung höher als im Berggebiet. Der Grad der Mechanisierung und die Auslagerung der Arbeit an Lohnunternehmen könnten den nötigen Arbeitsaufwand reduzieren. Sie sollten im Indikator zukünftig berücksichtigt werden.
  • Der Indikator lässt sich mit dem Online-Tool LabourScope von Agroscope berechnen und mit Hilfe von Farmmanagement-Informationssystemen automatisiert ermitteln.
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