Agroscope

Die Nutzung von vernässenden Feuchtackerflächen neu denken

Viele Drainagen von Ackerflächen sind erneuerungsbedürftig. Nun erhalten Kantone und Betroffene eine Entscheidungshilfe, um solche Flächen umfassend zu beurteilen und nachhaltige Lösungen zu finden.

Rund 30 % der Fruchtfolgeflächen der Schweiz sind drainiert, damit auf diesen Flächen Acker- und Gemüsekulturen angebaut werden können. Zunehmend stellt sich für die älteren Drainagen die Frage der Erneuerung, die mit hohen Kosten verbunden ist. Gleichzeitig sind durch die grossflächige Entwässerung Feuchtlebensräume in der Agrarlandschaft und ihre spezialisierte Pflanzen- und Tierwelt selten geworden.

Die Entwässerung von Ackerflächen beeinflusst aber nicht nur die Biodiversität, sondern verschiedene Prozesse in komplexer Weise. Je nach Standort können Drainagen das Risiko der Abschwemmung von Nährstoffen und Pflanzenschutzmitteln erhöhen. Zudem enthalten Ackerflächen auf organischen Böden grosse Mengen Bodenkohlenstoff, der nach der Trockenlegung kontinuierlich zu CO2 abgebaut wird und damit zum Klimawandel beiträgt.

Entscheidungshilfe für die Abwägung von Interessen und Prioritäten

Forschende von Agroscope haben im Rahmen des Projekts «Feucht-(Acker-)Flächen» das Spannungsfeld von Produktivität, Klimaschutz, Biodiversität sowie Nähr- und Schadstoffbelastung der Gewässer untersucht. Die Berichte dazu sind auf der Website www.feuchtacker.ch abrufbar. Auf dieser Basis haben sie eine Entscheidungshilfe ausgearbeitet, die sich an kantonale Landwirtschaftsämter sowie Fachstellen für Bodenschutz und für Natur, Bauherrschaften, Beratungskräfte sowie Landwirtinnen und Landwirte richtet. Sie unterstützt insbesondere bei Fragen zur Erneuerung der Drainagen.

In einem strukturierten Ablauf werden die relevanten Kriterien bewertet und die Abwägung zwischen verschiedenen Interessen und Prioritäten unterstützt. Neben gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien (Gewässerraum, Wasser- und Zugvogelreservate, Moorlandschaften, Pufferzonen für Feuchtbiotope) werden die wichtigsten Indikatoren der vier Themenbereiche «Biodiversität», «Gewässer», «Boden und Treibhausgase» und «Landwirtschaftliche Nutzung» bewertet. Integraler Teil der Entscheidungshilfe sind Karten zu diesen Themen, die den aktuellen Stand des Wissens abbilden und online als GIS-Tool zur Verfügung stehen.

Auf Deutsch, Französisch und Italienisch verfügbar

Der Entwurf der Entscheidungshilfe wurde mit vier Pilotkantonen (Zürich, Freiburg, Waadt und Wallis) getestet und weiterentwickelt. Die Entscheidungshilfe ist nun auf Deutsch und Französisch und ab Mitte Dezember 2022 auch auf Italienisch erhältlich und damit schweizweit nutzbar.

Nassreisanbau als alternative Ackerkultur für Feuchtackerflächen

Ein möglicher Ansatz, um Feuchtflächen in der Agrarlandschaft zu erhalten oder zu regenerieren, gleichzeitig aber eine wirtschaftlich interessante Produktion aufrechtzuerhalten, ist der Anbau von Nassreis. So führt Agroscope seit 2017 in enger Zusammenarbeit mit Landwirtinnen und Landwirten Pilotversuche zum Nassreisanbau im Schweizer Mittelland und im Wallis durch. Die Zusammenarbeit zwischen Forschung (Agroscope, HAFL), Beratung (Agridea) und den Landwirtinnen und Landwirten (www.nassreis.ch) wird seit 2022 auch durch den Schweizerischen Nationalfonds gefördert. Es ist in Abklärung, ob 2023 der ökologische Nassreisanbau als regionsspezifische Biodiversitätsförderfläche mit Vernetzungsbeiträgen (Direktzahlungen) unterstützt werden kann.

Fazit

  • Rund 30 % der Schweizer Fruchtfolgeflächen werden entwässert. Viele Drainagen sind aber erneuerungsbedürftig. Zudem kann die Trockenlegung zu ökologischen Problemen wie Biodiversitätsverlusten, Abschwemmung von Schadstoffen oder CO2-Emissionen führen.
  • Agroscope hat eine Entscheidungshilfe erarbeitet, welche kantonale Fachstellen, Bauherrschaften, Beratung sowie Landwirtinnen und Landwirte beim Entscheid unterstützt, was mit einer vernässten Ackerfläche geschehen soll.
  • Die Entscheidungshilfe bietet eine umfassende Bewertung anhand der wichtigsten Indikatoren und hilft bei der Abwägung zwischen verschiedenen Interessen und Prioritäten. Integraler Teil sind Karten, die online als GIS-Tool zur Verfügung stehen, und den aktuellen Stand des Wissens abbilden.

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