Agroscope, ETH Zürich

Risikobereite Landwirte wenden mit grösserer Wahrscheinlichkeit präventive Schädlingsbekämpfungsmassnahmen an

Die Prävention spielt für einen reduzierten Pflanzenschutzmitteleinsatz eine wichtige Rolle. Dennoch werden seltener präventive Massnahmen angewendet, als es aus gesellschaftlicher Sicht optimal wäre. Eine allgemein vorsichtige Haltung gegenüber Risiken und der Nutzung anderer Risikomanagementmassnahmen ist mit geringeren Präventionsbemühungen verbunden.

Präventive Schädlingsbekämpfungsmassnahmen können eine Schlüsselrolle spielen, wenn der Schädlingsdruck und damit der Pflanzenschutzmitteleinsatz reduziert, gleichzeitig aber Einbussen bei der Lebensmittelproduktion vermieden werden sollen. Damit können solche Massnahmen dazu beitragen, das politische Ziel eines reduzierten Pflanzenschutzmitteleinsatzes in der Landwirtschaft umzusetzen. Bisher werden, gemessen am Optimum aus gesellschaftlicher Sicht, noch zu selten solche nicht-chemischen Präventionsstrategien genutzt und dadurch werden mehr Pflanzenschutzmittel als notwendig eingesetzt.

Präventive Massnahmen und Insektizide zur Bekämpfung von Drosophila suzukii

Invasive Arten stellen eine zunehmende Bedrohung für die Schweizer Landwirtschaft dar. Die Kirschessigfliege (Drosophila suzukii) ist in ganz Europa ein bedeutender invasiver Schädling im Beerenobst- und Weinbau. Zu den üblichen Schädlingsbekämpfungsstrategien im Weinbau gehören präventive Massnahmen und synthetische Insektizide. Der Weinbau hat einen erheblichen Anteil am gesamten Pflanzenschutzmitteleinsatz der Schweizer Landwirtschaft.

Welche Faktoren bestimmen den optimalen Aufwand für die Schädlingsbekämpfung?

Unsere Studie untersuchte die Entscheidungen der Landwirte bei der Anwendung präventiver Schädlingsbekämpfungsmassnahmen. Wir entwickelten zunächst ein theoretisches Modell, mit dem wir analysierten, welche Bedingungen und Merkmale des Betriebs und der Landwirte die Nutzung von Präventionsmassnahmen begünstigen oder behindern. Unsere Ergebnisse zeigen, dass Landwirte mit höherer Risikoaversion weniger Prävention betreiben. Dieses Ergebnis widerspricht auf den ersten Blick der Intuition. Eine Erklärung dafür ist aber, dass ein eher risikoscheuer Landwirt dazu neigt, weniger Präventionsmassnahmen zu nutzen, da der Nutzen von Präventionsmassnahmen unsicherer ist als die Wirkung von Pflanzenschutzmitteln. So rentiert sich die Investition in Prävention im Nachhinein nur, wenn auch wirklich ein Schädlingsbefall auftritt; Pflanzenschutzmittel werden oft nur dann eingesetzt, wenn der Schädlingsbefall bereits aufgetreten ist. Ausserdem erhöhen sowohl das so genannte zustandsabhängige Risiko (z. B. die ungewisse Höhe schädlingsbedingter Verluste im Falle eines Befalls) als auch das allgemeine Hintergrundrisiko (z. B. andere Produktions- oder Preisrisiken) das von den Landwirten als optimal empfundene Mass an Prävention. Förderlich für Präventionsbemühungen sind frühere Erfahrungen mit einem hohen Schädlingsdruck, hingegen dämpfen höhere Kosten für die Prävention im Verhältnis zu den Einnahmen der Landwirte deren Bereitschaft zu Präventionsmassnahmen.

Fallstudie zur Bekämpfung von Drosophila suzukii im Schweizer Weinbau

Wir prüften die theoretischen Ergebnisse anhand empirischer Daten zu den Entscheidungen von Schweizer Weinbauern, präventive Massnahmen gegen die Kirschessigfliege zu ergreifen. Unsere Analyse stützte sich auf Daten aus einer Online-Umfrage, die in den Jahren 2016, 2017 und 2018 bei Schweizer Weinbauern durchgeführt wurde, und konzentrierte sich auf den konventionellen Weinbau. Die Erhebung umfasste sortenspezifische Informationen zu den präventiven Bekämpfungsmassnahmen gegen die Kirschessigfliege sowie Informationen zum wahrgenommenen Ausmass des Schädlingsbefalls im entsprechenden Jahr. Zu den Präventionsmassnahmen gehören das Anbringen von Insektennetzen (seitliche Netze, Netze für einzelne Reihen und Netze für mehrere Reihen), Hygienemassnahmen (z. B. Entfernung von Ernterückständen, Mähen/Mulchen und vollständige Ernte aller Früchte) sowie eine frühe Ernte. Wenn es zu einem Befall kommt, können die Weinbauern auch Insektizide zur Schädlingsbekämpfung einsetzen, allerdings gelten Insektizide für die Schweizer Weinbauern als letztes Mittel der Schädlingsbekämpfung.

Unsere empirischen Ergebnisse stimmen mit den theoretischen Ergebnissen überein. So geht beispielsweise eine höhere Risikoaversion – unter Berücksichtigung anderer Faktoren – mit deutlich geringeren Präventionsbemühungen einher. Ausserdem ist die Wahrscheinlichkeit, dass Landwirte mit einer Ernteversicherung (stellvertretend für ein geringeres Hintergrundrisiko) Präventionsmassnahmen ergreifen, im Vergleich zu Landwirten ohne Ernteversicherung um 19 bis 23 Prozentpunkte geringer.

Fazit

  • Eine höhere Risikoaversion und ein geringeres Hintergrundrisiko, z. B. aufgrund einer Ernteversicherung, verringern die Bemühungen der Landwirte zur präventiven Schädlingsbekämpfung.
  • Die Anwendung von Präventionsmassnahmen sollte durch gezielte politische Massnahmen gestärkt werden, z. B. mit dem Ziel, die Prävention wirksamer und kosteneffizienter zu gestalten.
  • Durch gezielte Informationen und Beratungen können die durch Landwirte wahrgenommenen Risiken präventiver Schädlingsbekämpfungsmassnahmen reduziert werden. Dadurch ergreifen sie eher Präventionsmassnahmen.
  • Die komplexen Wechselwirkungen, die bei den Entscheiden der Landwirte über Risikomanagementstrategien eine Rolle spielen, erfordern holistische politische Massnahmen, die mögliche Spillover-Effekte von Strategien wie der Ernteversicherung berücksichtigen und nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken fördern.
Zum kompletten Archiv