Agroscope

Dank der Gesundheitsuntersuchung von Getreidesaatgut lassen sich Pflanzenschutzmittel einsparen

Getreidekrankheiten, die durch das Saatgut übertragen werden, wurden bisher mit chemisch-synthetischen Beizmitteln bekämpft. Ist Saatgut jedoch nachweislich gesund, ist keine Behandlung nötig. Mit der steigenden Nachfrage nach pestizidfreiem Getreide gewinnt die professionelle Saatgutkontrolle an Bedeutung.

Krankheitserreger, die durch Getreidesaatgut auf die nächste Generation übertragen werden, haben weltweit eine grosse Bedeutung. In der Schweiz sind Schneeschimmel, Stink- und Zwergbrand, Spelzenbräune sowie Flugbrand die wichtigsten samenbürtigen Getreidekrankheiten. Mit chemisch-synthetischen Beizmitteln konnte ihre Ausbreitung in der Vergangenheit sehr effektiv verhindert werden.

Auch heute wird in der Schweiz noch immer ein grosser Teil des zertifizierten Getreidesaatgutes chemisch gebeizt. Dafür werden pro Jahr rund 50 Tonnen Pflanzenschutzmittel (PSM) eingesetzt. Mit dem nationalen Aktionsplan Pflanzenschutzmittel rückte auch die Nachfrage nach unbehandeltem oder mit biologischen Saatbeizmitteln behandeltem Saatgut ins Zentrum. In der Schweiz sind solche  Saatbeizmittel allerdings nur bedingt verfügbar: Cerall®/Cedomon® (Bakterienpräparat), Tillecur® (Gelbsenfmehl) oder auch eine Dampf-Behandlung (ThermoSem®) sind möglich.

Weniger Beizmittel dank Saatgutkontrollen und Schadschwellen

Ein wichtiges Instrument neben den Saatgutbehandlungen ist die Gesundheitsuntersuchung des Saatgutes und die Anwendung von Schadschwellen: Wenn z. B. nicht mehr als als 10 % der Weizenkörner von Schneeschimmel befallen sind, ist keine Saatgutbeizung nötig. Bei Agroscope wurden solche Schwellen für die wichtigsten Krankheiten entwickelt und seit den neunziger Jahren bei Biosaatgut konsequent angewendet. Die Anzahl untersuchter Proben pro Jahr stieg von 120 im Jahr 2011 auf 341 im Jahr 2020 (Abb. 1). In den letzten zwei Jahren wurde auch das Saatgut für den pestizidfreien Anbau von IP-Suisse untersucht.

Abb. 1: Steigende Nachfrage nach einer Saatgutkontrolle bei Agroscope: Anzahl untersuchter Saatgut-Posten von Winterweizen, Dinkel, Triticale, Sommerweizen und Roggen in den Jahren 2011 bis 2020. Seit 2019 steigt die Zahl auch dank des pestizidfreien Anbaus von Getreide bei IP-Suisse.

Erreicht ein Posten die Mindest-Keimfähigkeit und liegt er bei allen Prüfpunkten unter der Schadschwelle, wird er als gesund bezeichnet. Von 2011 bis 2020 waren in den meisten Jahren mehr als 80 % der untersuchten Saatgutproben gesund und konnten zur unbehandelten Aussaat empfohlen werden. Somit konnten mit der Aussaat von gesundem, unbehandeltem Saatgut gezielt chemische Beizmittel eingespart werden. Bei Flugbrand erfolgte die Kontrolle anhand einer Feldbesichtigung im Rahmen der Zertifizierung des Saatguts, da eine Laboruntersuchung bisher zu aufwändig war.

Auch die Witterung hat einen Einfluss auf samenbürtige Getreidekrankheiten

Klimatisch bedingt schwankte der Anteil an gesundem Getreidesaatgut stark. Nur in drei der letzten zehn Jahre war die Qualität zu tief: 2011, 2012 und 2016. Dies vor allem aufgrund der feuchten Witterung, welche zu einem erhöhten Befall mit Schneeschimmel führte. Die Spelzenbräune spielte während der letzten zehn Jahre aufgrund von weniger anfälligen Sorten keine Rolle mehr und wird daher seit dem Jahr 2019 nicht mehr untersucht.

Dank der konsequenten Saatgutkontrolle seit Ende der 1990er-Jahre konnte der Befall mit Stink- und Zwergbrand reduziert und danach auf einem sehr tiefen Niveau gehalten werden. Bei Gerste trat Flugbrand in der Feldbesichtigung wieder gehäuft auf, auch bei chemisch gebeizten Posten. Agroscope entwickelt derzeit eine molekulare Methode zur quantitativen Bestimmung der Krankheit auf dem Saatgut als zusätzliches Instrument zum schnelleren und einfacheren Nachweis des Erregers.

Fazit

  • Da immer mehr Saatgutproduzenten auf eine pestizidfreie Anbauform umstellen, ist es wichtig, die Gesundheit des Saatgutes zu überprüfen.
  • Die Zahl der Saatgutposten, die gesund und demnach unbehandelt ausgesät werden konnten, hat deutlich zugenommen. Dabei spielten die Witterung sowie die konsequente Saatgutkontrolle eine zentrale Rolle.
  • Das Angebot wirksamer und für den biologischen Anbau zugelassener Beizmittel ist bis anhin sehr begrenzt. Darum ist es wichtig, gesundes Saatgut zu verwenden und wenig anfällige Sorten zu züchten.
  • Moderne und effiziente Methoden zur Überprüfung der Saatgutgesundheit sind enorm wichtig. So entwickelt Agroscope zurzeit einen molekularen Nachweis von Flugbrand im Gerstensaatgut, da diese Krankheit im Labor noch nicht effizient gemessen werden kann.
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