Agroscope

Direktzahlungen gehen mit ausserlandwirtschaftlicher Tätigkeit einher

Gemäss der internationalen Literatur beeinflussen Direktzahlungen die Entscheidung von Betriebsleitenden, eine ausserlandwirtschaftliche Tätigkeit aufzunehmen. Wie dieser Zusammenhang in der Schweiz aussieht, hat eine Studie von Agroscope untersucht.

Agroscope analysierte, ob und in welchem Ausmass verschiedene Betriebs- und Betriebsleitercharakteristika sowie Direktzahlungen einen Einfluss haben auf:

a) die Wahrscheinlichkeit, dass Betriebsleitende einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen

b) die Anzahl der Arbeitstage, die für die ausserlandwirtschaftliche Tätigkeit eingesetzt werden.

Nebenerwerb weit verbreitet

Etwa 50 % der Betriebsleitenden in der Schweiz gehen einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nach. Über die Jahre 2017 bis 2019 wendeten sie dafür im Durchschnitt etwa 64 Arbeitstage pro Jahr auf. Die Wahrscheinlichkeit, einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen, als auch die dafür eingesetzten Arbeitstage erhöhen sich für kleinere Betriebe, Betriebe mit einem geringeren landwirtschaftlichen Einkommen und Betriebe in der Bergregion. Betriebsleitende mit spezialisierten Milchbetrieben und Bioproduzenten setzen weniger Arbeitstage für eine ausserlandwirtschaftliche Tätigkeit ein.

Weniger Tage in ausserlandwirtschaftlicher Tätigkeit bei hoher landwirtschaftlicher Ausbildung

Ein höheres Bildungsniveau, unabhängig davon, ob es sich um eine landwirtschaftliche oder eine nichtlandwirtschaftliche Ausbildung handelt, erhöht die Wahrscheinlichkeit des Betriebsleiters oder einer Betriebsleiterin, einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachzugehen. Im Gegensatz dazu setzen Betriebsleitende mit einer hohen landwirtschaftlichen Ausbildung signifikant weniger Arbeitstage für eine ausserlandwirtschaftliche Tätigkeit ein, während eine nichtlandwirtschaftliche Ausbildung die Arbeitstage in einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit erhöht.

Bis zu einem Alter von ca. 43 Jahren steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Betriebsleitende einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, danach nimmt die in dieser Tätigkeit aufgewendete Anzahl Arbeitstage wieder ab.

Direktzahlungen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, …

Die Direktzahlungen zeigen einen Substitutionseffekt, das heisst, je höher die Direktzahlungen pro Hektare sind, desto wahrscheinlicher gehen Betriebsleitende einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nach. Da die Direktzahlungen an die landwirtschaftliche Nutzfläche, aber nicht an die Produktion gekoppelt sind, reduzieren sie den Wert der landwirtschaftlichen Arbeit im Vergleich zu den Preisstützungen, bei denen eine Ausweitung der Produktion einen direkten Einfluss auf das landwirtschaftliche Einkommen hatte. Durch diese Entkoppelung sinkt der Wert der landwirtschaftlichen Arbeit und die Attraktivität einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit steigt.

…aber nicht den Umfang der ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit

Im Gegensatz zur Wahrscheinlichkeit, sich für eine ausserlandwirtschaftliche Tätigkeit zu entscheiden, ist die Anzahl der dafür aufgewendeten Arbeitstage nicht mit den Direktzahlungen korreliert. Damit besteht zwar ein positiver Zusammenhang zwischen Direktzahlungen und der Aufnahme einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit, aber nicht mit ihrem Umfang.

Prekäre Einkommenssituationen trotz Direktzahlungen und ausserlandwirtschaftlicher Tätigkeit

Sortiert nach dem Gesamteinkommen pro Standardfamilienarbeitskraft, liegen die ausbezahlten Direktzahlungen für die unteren sechs Einkommensdezile über den landwirtschaftlichen Einkommen. Das heisst, die Einkünfte aus der Landwirtschaft sind tiefer als die Kosten, die sie verursachen. Im untersten Einkommensdezil sind die Direktzahlungen sogar höher als das Gesamteinkommen, d. h. die Kosten lassen sich nicht einmal durch die Nebeneinkünfte decken. Gerade diese Betriebe scheinen zudem aufgrund der benötigten Arbeitskraft auf dem landwirtschaftlichen Betrieb eingeschränkte Möglichkeiten zu haben, ihr Einkommen über einen Nebenerwerb zu verbessern.

Aus Einkommensperspektive besteht politischer Diskussionsbedarf

Drei Aspekte dieser Resultate sind für die Agrarpolitik von Interesse:

  1. Wenn Direktzahlungen dazu führen, dass Betriebsleitende vermehrt einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, dann fördern sie nicht vollumfänglich eine wettbewerbs- und leistungsfähige Landwirtschaft (auf die das Direktzahlungs-Gesetz abzielt), sondern auch den Nebenerwerb. Wenn der Nebenerwerb gefördert wird, dann entspricht das nicht der im Gesetz festgehaltenen einkommensbezogenen Zielstellung besonders wettbewerbsfähige und leistungsfähige Betriebe zu fördern.
  2. Wenn die Erzielung von ausserlandwirtschaftlichem Einkommen eine übliche und notwendige Strategie ist, damit Bauernfamilien ein angemessenes Konsumniveau erreichen, dann sollte die Agrarpolitik eher auf das Haushaltseinkommen der landwirtschaftlichen Familien abzielen als auf das landwirtschaftliche Einkommen. Damit wären aber die auf das landwirtschaftliche Einkommen fokussierten Kennzahlen (landwirtschaftliches Einkommen, landwirtschaftlicher Arbeitsverdienst pro Vollzeit-Familienarbeitskraft) nicht ausreichend, um den Erfolg der einkommenspolitischen Ziele der Agrarpolitik zu messen.
  3. Dass viele Betriebsleitende einer ausserlandwirtschaftlichen Tätigkeit nachgehen, könnte auch Folge davon sein, dass ein Betriebswachstum mit entsprechendem Bedarf an Arbeitskraft auf dem Betrieb aufgrund mangelnder Flächenverfügbarkeit nicht möglich ist. Gleichzeitig werden mit den Direktzahlungen auch Betriebe gefördert, deren landwirtschaftliche Einkommen oder sogar Gesamteinkommen niedriger sind als die ausbezahlten Direktzahlungen. Der für ein Betriebswachstum notwendige Strukturwandel wird dadurch verlangsamt. Das wirft wiederum die Frage nach der Verteilung der Direktzahlungen auf, und ob alle Betriebe unabhängig von ihrer wirtschaftlichen Situation weiterhin über Direktzahlungen unterstützt werden sollten.

Fazit

  • Zu einem gewissen Grad führen die von der Produktion entkoppelten Direktzahlungen zu einem Einstieg in eine ausserlandwirtschaftliche Tätigkeit, sie sind aber nicht mit der Anzahl extern geleisteter Arbeitstage korreliert.
  • Direktzahlungen und ausserlandwirtschaftliche Tätigkeiten können prekäre Einkommenssituationen nicht verhindern.
  • Die Agrarpolitik sollte darüber diskutieren, welche Betriebe durch Direktzahlungen unterstützt werden sollten.
  • Die Agrarpolitik sollte sich überlegen, inwiefern das für viele Bauernfamilien wichtige ausserlandwirtschaftliche Einkommen bei der Formulierung agrarpolitischer Einkommensziele berücksichtigt werden sollte.
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