Agroscope, FiBL, Universität Bern, Universität Göttingen

Wie reagieren weidende Milchkühe physiologisch auf Hitzestress?

Selbst in Regionen mit gemässigtem Klima kann ein Anstieg der Umgebungstemperatur und die Sonneneinstrahlung zu Hitzestress bei weidenden Milchkühen führen. Agroscope untersuchte bei Kühen physiologische Veränderungen aufgrund zunehmender Hitzebelastung.

Der Wunsch der Gesellschaft nach einer nachhaltigen Tierproduktion, die das natürliche Verhalten der Tiere berücksichtigt, steigt ständig. Weidebasierte Milchproduktionssysteme scheinen ideal zu sein, um diesen Wunsch zu erfüllen. Die weidebasierte Milchproduktion ist nicht nur kosteneffizient, sondern trägt gleichzeitig dazu bei, die Konkurrenz zwischen Futtermitteln für Tiere und Nahrungsmitteln zu verringern. Weidende Milchkühe sind jedoch besonders anfällig für Hitzestress, da sie nicht nur der steigenden Umgebungstemperatur, sondern auch der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind.

Körpertemperatur, Blut und Milch weidender Milchkühe untersucht

In zwei aufeinanderfolgenden Sommern wurden 38 laktierende Holstein-Milchkühe in einem Vollweidesystem untersucht. Die Daten wurden in zehn Versuchsperioden von bis zu drei aufeinanderfolgenden Tagen mit Temperaturen im Bereich von 13 bis 24°C erhoben. Die Vaginaltemperatur als Mass für die Körpertemperatur und die Herzfrequenz der einzelnen Tiere wurden mit Sensoren überwacht. Blutproben und Milchproben wurden am Nachmittag entnommen. Diverse Merkmale wurden in der Milch (Fett, Protein, Laktose, Harnstoff-Stickstoff, Cortisol, Na+, K+ und Cl) und im Blut (Beta-Hydroxybutyrat, Glucose, nicht veresterte freie Fettsäuren, Harnstoff-Stickstoff, Thyroxin und Triiodthyronin) analysiert.

Körpertemperatur zeigt Tagesverlauf

Die Körpertemperatur der Kühe veränderte sich im Tagesverlauf deutlich und stieg mit steigender Hitzebelastung. Bei Kühen, die eine Vaginaltemperatur über 39°C hatten, war von Hitzestress auszugehen (Abb. 1). Solche Kühe zeigten eine erhöhte mittlere Herzfrequenz, erhöhte Plasma-Glukose- und Milchcortisol-Konzentrationen sowie verringerte Konzentrationen von Plasma-Thyroxin und -Triiodthyronin. Die Konzentration von Na+ in der Milch war niedriger, und die Konzentration von K+ in der Milch war tendenziell höher bei Kühen mit höherer Körpertemperatur. Die Gehalte an Harnstoff-Stickstoff und Protein in der Milch variierten stark, und waren von Tier zu Tier sehr unterschiedlich.

Abb. 1: Anteil der Vaginaltemperaturmessungen (VT) über 39°C im Tagesverlauf von 26 Messtagen. Weiss hinterlegt sind die Zeiten, in denen die Kühe auf der Weide waren, grau hinterlegt sind die Phasen im Stall.

Na+ und Cortisol-Gehalte in der Milch eignen sich als mögliche Hitzestressindikatoren

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die in Milch und Blut beobachteten Veränderungen wahrscheinlich die kurzfristigen physiologischen Reaktionen auf mässigen Hitzestress widerspiegeln. Insbesondere Milchcortisol und Na+ könnten nützliche Merkmale für die rechtzeitige Überwachung von Hitzestress bei einzelnen Kühen sein, da ihre inter-individuellen Varianzen relativ gering sind und die Proben nicht-invasiv entnommen werden können.

Fazit

  • Hitzestress kann bei weidenden Kühen bereits bei einer mässigen Hitzebelastung auftreten und ihr Wohlergehen beeinträchtigen.
  • Die Anfälligkeit für Hitzestress kann bei Kühen individuell sehr unterschiedlich sein. Es ist deshalb notwendig, tierbezogene Merkmale heranzuziehen, welche auf die Hitzebelastung reagieren.
  • Cortisol und Elektrolyte in der Milch sind potenzielle physiologische Indikatoren für die kurzfristige Bewertung von Hitzestress. Elektrolyte könnten in Zukunft sogar automatisch gemessen werden.
Zum kompletten Archiv