Die Bevölkerung sieht das Tierwohl als eines der wichtigsten agrarpolitischen Ziele
Foto: Gabriela Brändle,
Agroscope
In einer Online-Umfrage haben Agroscope-Forschende die Einstellungen der Schweizer Bevölkerung zu agrarpolitischen Zielen in allen drei Sprachregionen untersucht. Die Ergebnisse sollen helfen, die Agrarpolitik besser zu gestalten.
Die Agrarpolitik erfüllt eine Vielzahl von unterschiedlichen Zielen. Dazu gehören beispielsweise eine nachhaltige und auf den Markt ausgerichtete landwirtschaftliche Produktion, die sichere Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln, das Sicherstellen eines angemessenen Entgelts für die erbrachten Leistungen der Landwirtschaft sowie die Garantie des Tierwohls. Oft ist aber die Verfolgung eines agrarpolitischen Ziels mit Zielkonflikten verbunden. Entsprechend muss in solchen Situationen genau abgewogen werden, welches Ziel stärker gewichtet werden soll. Die Bevölkerung spielt eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, welche Ziele priorisiert werden sollen. Die Menschen sind sowohl Konsumentinnen und Konsumenten als auch Stimmberechtigte, die wählen und ihre Meinung äussern können. In der vorliegenden Studie wurde am konkreten Beispiel des Tierwohls untersucht, welche Gewichtungen die Bevölkerung vornimmt und was die Treiber dafür sind. Diese Erkenntnisse sind wichtig für die Ausgestaltung der Agrarpolitik.
Tierwohl als agrarpolitisches Ziel
In einer repräsentativen Umfrage (N=1542, in allen drei Sprachregionen, im Oktober 2022) sollten die Teilnehmenden spontan die drei agrarpolitischen Ziele nennen, die ihrer Ansicht nach am wichtigsten sind. Aus der Abbildung 1 wird ersichtlich, dass das Tierwohl am häufigsten genannt wurde. Ebenfalls als wichtig erachtet wurden Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Bio, lokale Produktion/Herkunft und Biodiversität, Versorgungssicherheit sowie der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln. Einige der Teilnehmenden hatten Mühe, konkrete agrarpolitische Ziele zu nennen und gaben keine Antwort.
Gewichtung von Tierwohl in agrarpolitischen Zielkonflikten
Die Teilnehmenden sollten dann die Wichtigkeit des Tierwohls als agrarpolitisches Ziel einstufen, wenn dieses in direktem Konflikt mit einem anderen Ziel steht. Die drei konkreten Zielkonflikte sind in Abbildung 2 dargestellt. Etwa die Hälfte der Teilnehmenden hat eine starke oder schwache Präferenz für das Tierwohl geäussert. Dies ist unabhängig davon, ob Tierwohl in Konflikt mit dem landwirtschaftlichen Einkommen (47,5 %), den Konsumentenpreisen (50,9 %) oder der Inlandproduktion (53,2 %) steht. Je rund 22 % bevorzugen das konkurrierende Ziel, der Rest war unentschlossen.
Bestimmungsfaktoren der Präferenz für Tierwohl
Mittels Regressionsanalysen haben wir anschliessend untersucht, welche Faktoren die Präferenz für Tierwohl bestimmen. Dabei haben wir für die drei Zielkonflikte ähnliche Muster gefunden. Frauen neigten dazu, das Tierwohl höher zu gewichten als das damit in Konflikt stehende Ziel. Weiter hängt diese Präferenz davon ab, wie Landwirtinnen und Landwirte wahrgenommen werden. Personen mit einem sehr positiven Bild von Landwirten gewichteten das Tierwohl niedriger – zugunsten des jeweils konkurrierenden Zieles. Möglicherweise gehen diese Personen eher davon aus, dass die Landwirtinnen und Landwirte die Tiere ohnehin gut umsorgen und das Tierwohl sicherstellen, sodass wenig agrarpolitischer Handlungsbedarf besteht. Ausserdem stellen wir fest, dass überzeugte Fleischesser eher das mit Tierwohl in Konflikt stehende Ziel als wichtiger erachten.
Fazit
- In einer Online-Umfrage wird das Tierwohl am häufigsten genannt, wenn die Befragten spontan drei agrarpolitische Ziele nennen sollen.
- Das Tierwohl wird auch dann als wichtig wahrgenommen, wenn ein Zielkonflikt mit anderen agrarpolitischen Zielen (landwirtschaftliche Einkommen, Konsumentenpreise, Inlandsproduktion) besteht.
- Überzeugte Fleischesser bevorzugen eher das mit dem Tierwohl in Konflikt stehende Ziel. Dies gilt für alle drei untersuchten Zielkonflikte.
Literaturhinweis
Consumers’ meat commitment and the importance of animal welfare as agricultural policy goal.