Agroscope

Alpwirtschaft – zuerst verstehen, dann gezielter fördern

Die Vielfalt der Sömmerungsbetriebe in den Schweizer Alpen ist zu berücksichtigen, um effektive politische Massnahmen zu entwickeln. Damit sollten sich die ökologischen und wirtschaftlichen Funktionen von Alpweiden besser erhalten lassen.

Sömmerungsweiden sind wichtig für Landwirtschaft, Biodiversität und Tourismus. Die Sömmerungsbetriebe sind jedoch bedroht. Gründe dafür sind Klimawandel, Fachkräftemangel und Wölfe. Werden die Sömmerungsbetriebe aufgegeben, kann dies zu Verbuschung, Verwaldung und damit zum Verlust der Biodiversität und des Landschaftsbilds führen.

Die Schweizer Agrarpolitik unterstützt Sömmerungsbetriebe mit einheitlichen Massnahmen und Direktzahlungen, um den Herausforderungen zu begegnen. Allerdings sind diese Betriebe sehr vielfältig. Daher gilt es diese zu verstehen, um differenzierte Massnahmen zu entwickeln, welche die Betriebe effizient fördern.

Sechs verschiedene Betriebstypen und ihre möglichen Herausforderungen

Welche Betriebstypen gibt es in der Alpwirtschaft? Dieser Frage sind Agroscope-Forschende nachgegangen, indem sie Strukturdaten von 5900 Betrieben analysierten. Daraus entwickelten sie eine Typologie von sechs Betriebstypen, die sich hinsichtlich Organisationsstruktur, Herdenzusammensetzung, biophysikalischer Umgebung und Zugänglichkeit unterscheiden. Die sechs Betriebstypen sind:

1. Private Milchviehalpen

2. Kommunale gemischte Rinder- und Milchviehalpen

3. Kommunale Rinderalpen

4. Abgelegene Alpen

5. Kleine private Rinderalpen

6. Schafalpen

Ausgehend von den Charakteristika der Betriebstypen und Erkenntnissen aus der Literatur über die Schweizer Alpwirtschaft, wurden anschliessend die möglichen Herausforderungen der einzelnen Typen sowie mögliche Optimierungsmassnahmen bezüglich betrieblichen Managements und agrarpolitischer Unterstützung adressiert:

  • Weiden von privaten Milchviehalpen und kommunale gemischte Rinder- und Milchviehalpen können durch den steigenden Futterbedarf der Milchkühe schnell übernutzt werden, was zu Bodenerosion und hohem Nährstoffeintrag auf zugänglicheren Weiden führen kann. Kommunale Rinderalpen und kleine private Rinderalpen investieren durch extensive Beweidung wahrscheinlich weniger in die Pflege der Weiden, was zu Verbuschung führen kann. In beiden Fällen kann ein verbessertes Beweidungsmanagement und die Anpassung der verfügten Normalstösse helfen.
  • Erschwerte Zugänglichkeit von abgelegenen Alpen erfordert Investitionen in die Transportinfrastruktur.
  • Schafalpen mit durchschnittlich ca. 200 Schafen sind oft zu klein, um mit teuren Herdenschutzmassnahmen noch wirtschaftlich zu sein. Sie sind daher durch Wolfrisse bedroht. Hierbei können Zusammenschlüsse und kollektive Bewirtschaftung helfen.

Gezielte Unterstützung und Beratung nötig

Ein besseres Verständnis dieser verschiedenen Herausforderungen und der strukturellen Vielfalt ermöglicht gezielte politische Massnahmen, die den einzelnen Betriebstypen besser Rechnung tragen. Der Bund unterstützt Sömmerungsbetriebe durch Direktzahlungen, berücksichtigt jedoch beispielsweise nicht Faktoren wie Abgelegenheit und Höhenlage, welche die Produktionskosten wesentlich beeinflussen. Die Betriebstypologie ermöglicht auch die Entwicklung von Werkzeugen für Beratungsdienste, die speziell auf die strukturellen Merkmale der einzelnen Betriebstypen zugeschnitten sind. Solche spezifischen Massnahmen würden die Attraktivität und Resilienz der Alpwirtschaft auch in ungünstigen Lagen verbessern. 

Diese Studie wurde an der Versuchsstation Alp- und Berglandwirtschaft durchgeführt. Die Versuchsstation, an der auch Kantone, Branche und Beratung beteiligt sind, entwickelt praxisorientierte Lösungen für die aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Betriebe im Berggebiet.

Fazit

  • In einer Studie der Versuchsstation Alp- und Berglandwirtschaft wurde eine Typologie von sechs Typen von Sömmerungsbetrieben entwickelt.
  • Ein besseres Verständnis der strukturellen Vielfalt von Alpbetrieben hilft, gezielte politische Massnahmen zu entwickeln, die Ressourcen besser zu verteilen und so den spezifischen Herausforderungen der einzelnen Betriebstypen besser Rechnung zu tragen.
  • Die Betriebstypologie ermöglicht auch die Entwicklung von Werkzeugen für Beratungsdienste, die speziell auf die strukturellen Merkmale der Betriebstypen zugeschnitten sind.
  • Mit einer gezielteren agrarpolitischen Förderung sollte sich die Wirtschaftlichkeit und die Attraktivität von Alpbetrieben optimieren lassen. Dies dürfte nicht nur für die Landwirtschaft selbst, sondern auch für die Biodiversität und den Tourismus vom Nutzen sein.
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