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Netto-Null für die Landwirtschaft der Stadt Zürich: Ein erreichbares Ziel?

Wie kann sich die Stadtzürcher Landwirtschaft in Richtung Netto-Null-Ziel entwickeln? Eine FiBL-Studie zeigt, dass grosse Umstrukturierungen für die Zielerreichung nötig wären – kleinere Massnahmen sind dennoch möglich, um Netto-Null näher zu kommen.

Die Stadt Zürich strebt bis 2040 Netto-Null bei den direkten Treibhausgasemissionen (THGE) an, was auch die städtischen Landwirtschaftsflächen betrifft.

Partizipative Szenarienentwicklung und Modellierung

Für die Studie wurde die städtische Landwirtschaft als geschlossener Betrieb modelliert. Mit dem Status-quo als Vergleichsbasis wurden in einem partizipativen Prozess mit Interessenvertreterinnen und -vertretern vier explorative Szenarien entwickelt. Ziel war es, bekannte Massnahmen zu kombinieren, um eine Palette an Handlungsoptionen aufzuzeigen. Zu den Massnahmen zählen unter anderem reduzierte Bodenbearbeitung, Reduktion der Tierzahlen, Anpassung der Nutztierhaltung an lokal verfügbare Raufuttermengen oder die Nutzung von Biomasse für Biogasproduktion. Die Szenarien wurden mit vier quantitativen Indikatoren (THGE, Verbrauch fossiler Energien, Einkommenswirkung und Lebensmittelproduktion) bewertet.

Netto-Null durch tiefgreifende Massnahmen

Zürich kann das Netto-Null Ziel erreichen. Dafür müsste die Stadt jedoch vollständig auf die Nutztierhaltung verzichten sowie anfallende Emissionen durch Bäume und Pflanzenkohle kompensieren. Ebenfalls wirksam wären Massnahmen wie eine Grasland-basierte Haltung von Zweinutzungsrassen mit verlängerter Nutzungsdauer für Fleisch- und Milchproduktion, die Reduktion von Mineraldünger und Futterimporten, die Elektrifizierung landwirtschaftlicher Prozesse und die breite Nutzung von Biomasse für die Biogasherstellung. Diese allein führen aber nicht zu Netto-Null.

Effiziente Nutzung lokaler Ressourcen senkt Emissionen bei gesteigerter Produktion

Die Studie offenbart deutliche Zielkonflikte zwischen Klimaschutz, Wirtschaftlichkeit und Lebensmittelproduktion. Für Netto-Null nötige, heute bekannte Massnahmen verursachen erhebliche Kosten und Ertragseinbussen sowie eine Reduktion der Lebensmittelproduktion um 16 %. Demgegenüber erhöhen die effiziente Nutzung lokaler Ressourcen und Verzicht auf Dünge- und Futtermittelimporte die netto THGE, steigern jedoch den Proteinoutput um 55 % und reduzieren die THGE pro Kilogramm Protein. Auch wirtschaftlich schneiden diese Massnahmen vergleichsweise gut ab.

Futtermittelimporte sorgen für hohen Verbrauch fossiler Energie  

Der Verzicht auf importiertes Kraftfutter und Mineraldünger reduziert den Verbrauch fossiler Energien um bis zu 85 %. Vor allem Nicht-Wiederkäuer, wie Pensionspferde oder Schweine können dann nur noch in begrenztem Masse gehalten werden.  

Netto-Null scheitert an der Multifunktionalität

Die Landwirtschaft erfüllt besonders im städtischen Kontext verschiedene Aufgaben in Bereichen der Lebensmittelversorgung, Biodiversität, Bildung und Naherholung. Eine Ausrichtung auf das Klimaziel kann je nach Massnahme zu Zielkonflikten führen.

Methodik hat Vorbildpotential

Der gewählte Modellierungsansatz mit Einbindung der Praxisakteurinnen und -­akteuren kann als Vorbild für ähnliche Prozesse dienen. Er erlaubt eine partizipative Szenarienentwicklung und schafft dadurch die Grundlage für breiteren Konsens über praktikable Klimaschutzmassnahmen.

Fazit

  • Das Netto-Null-Ziel ist mit tiefgreifenden Massnahmen insbesondere bei der Nutztierhaltung und Kompensation durch Bäume und Pflanzenkohle erreichbar – jedoch mit negativen Auswirkungen auf die Proteinproduktion und Wirtschaftlichkeit der gängigen Betriebstypen.
  • Alternative Strategien zeigen, dass Effizienzsteigerungen und Zirkularität Emissionen je Produkteinheit senken und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen reduzieren können.
  • Klimastrategien in der Landwirtschaft müssen Zielkonflikte aktiv adressieren und mit anderen gesellschaftlichen Ansprüchen vereinbaren.
  • Der partizipative Modellansatz kann als Vorlage für andere Landwirtschaftsstrategien dienen.
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