Agroscope

Auswirkungen des Entfernens der Hauptblätter und der Seitentriebe vor der Blüte bei Reben

Eine Studie von Agroscope zeigt, dass das Entfernen der Hauptblätter vor der Blüte anstelle der Seitentriebe eine praktikable Methode ist, die nur geringe Auswirkungen auf das Ertragspotenzial und die Mostzusammensetzung hat.

Die Entblätterung ist eine gängige Methode im Weinbau, um den Pilzbefall zu begrenzen und die Reifung der Trauben zu fördern. Der Zeitpunkt der Entblätterung ist von entscheidender Bedeutung und sollte auf die regionalen klimatischen Bedingungen und die Ziele des Winzers abgestimmt werden. Erfolgt die Entblätterung nach dem Traubenansatz, hat sie in der Regel keinen Einfluss auf den Ertrag. Wird sie dagegen vor der Blüte angesetzt, kann sie die Zusammensetzung der Beeren und das sensorische Profil des Weins, insbesondere die Aromen und Polyphenole, beeinflussen. Allerdings reduziert die Entblätterung vor der Blüte auch den Ertrag um 40-50 %, da sie die für den Traubenansatz erforderliche Kohlenstoffversorgung einschränkt. Die Auswirkungen der Entblätterung hängen von verschiedenen Faktoren ab wie die Rebsorte, die klimatischen Bedingungen, der Zeitpunkt und die Intensität. Zudem ist entscheidend, welche Blätter (Hauptblätter oder Seitentriebe) entfernt werden.

Abbildung 1. Entfernen von Blättern in der Traubenzone: nur Seitentriebe (A), Hauptblätter + Seitentriebe (C) und nur Hauptblätter (D). Foto zum Zeitpunkt der Ernte.

Im Versuchsrebberg von Agroscope in Leytron (Schweiz) wurde von 2016 bis 2021 ein Versuch durchgeführt, um die physiologischen Auswirkungen der Entblätterung der Traubenzone vor der Blüte bei der weissen Rebsorte Petite Arvine zu untersuchen. Der Versuchsplan bestand aus einem randomisierten vollständigen Blockformat mit vier Blöcken und vier Behandlungen, die verschiedene Kombinationen der Entfernung der Hauptblätter und/oder Seitentriebe aus der Traubenzone (von der Basis des Triebs bis zum sechsten Blatt) beinhalteten. Bei allen Varianten erfolgte die Entblätterung im Mai im phänologischen Stadium mit gespreizten Einzelblüten (Abbildung 1).

Auswirkungen der Intensität der Entblätterung vor der Blüte

Die Entblätterung vor der Blüte beeinträchtigte die Leistung der Reben erheblich und verringerte insbesondere den Traubenansatz und den Ertrag. Die Entfernung aller Seitentriebe und Hauptblätter in der Traubenzone führte zu einem durchschnittlichen Ertragsverlust von 37 % (Abbildung 2). Im Vergleich dazu beschränkte eine 50-prozentige Entfernung der Hauptblätter die Ertragseinbussen auf 5-21 %, was zeigt, dass eine moderate Entblätterung die negativen Auswirkungen abschwächt. Der Versuch zeigt, dass Umweltfaktoren eine wichtige Rolle für den Ertrag spielen.

Die intensive Entblätterung vor der Blüte hatte einen minimalen Einfluss auf den Gesamtgehalt löslicher Zucker in den Beeren (23,7 ± 0,3 Brix), während sie die Konzentration der Weinsäure erhöhte (Abbildung 3). Die Zusammensetzung des Weins wurde durch die intensive Entblätterung vor der Blüte nur geringfügig verändert, abgesehen von einer erhöhten Polyphenolkonzentration, die mit der kleineren Beerengrösse, der dickeren Beerenhaut und der höheren Lichtexposition zusammenhängen dürfte. Interessanterweise führte die Entfernung aller Blätter und Seitentriebe aus der Traubenzone im Vergleich zur Kontrolle zu einer Abnahme der Konzentration von Cys-3MH (Vorläufermolekül von Thiolen; -21 %; p < 0,10).

Vergleich der Entfernung der Hauptblätter anstatt der Seitentriebe

Die ausschliessliche Entfernung der Hauptblätter führte zu einer grösseren exponierten Blattfläche (+15 %) im Vergleich zur Entfernung der Seitentriebe, hauptsächlich aufgrund des Wachstums der seitlichen Blätter im Bereich der Traubenzone. Die gesamte photosynthetische Aktivität des Laubes war bis zum Traubenansatz reduziert wegen des höheren Anteils an jungen Blättern und Seitentrieben, die noch nicht ihre maximale photosynthetische Kapazität erreicht hatten. Dies führte zu einem geringeren Ertragspotenzial (-14 %), das hauptsächlich auf eine geringere Anzahl Beeren pro Traube (-11 %) zurückzuführen war. Die grössere Blattfläche erzeugt ein kühleres Mikroklima mit weniger abiotischem Stress. Dies trug vermutlich zum höheren Gehalt an Äpfelsäure (+0,5 g/l, 12 %) und Glutathion (+6 mg/l, 11 %) in den Mosten aus der Behandlung D (Entfernen der Hauptblätter) im Vergleich zu den Mosten aus der Behandlung A (Entfernen der Seitentriebe) bei. Vor allem der Anstieg an titrierbarer Säure (+4 %), insbesondere der Äpfelsäure, kann im Kontext der Klimaerwärmung, die das Gleichgewicht zwischen den löslichen Zuckern und der titrierbaren Säure stark beeinflusst, erwünscht sein. Bei der Behandlung D war der Weinsäuregehalt am geringsten und der Gehalt an Apfelsäure am höchsten. Wenn nur die Hauptblätter entfernt wurden, nahm die Glutathionkonzentration im Most im Vergleich zu den anderen Behandlungen zu (+13 %; p < 0,001). Ausserdem spielt Glutathion für Aroma und Farbe des Weins eine entscheidende Rolle. Während nach der Entfernung der Seitentriebe bzw. der Entfernung der Hauptblätter keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf den Gesamtgehalt löslicher Zucker, den pH-Wert oder die Cys-3MH-Konzentration im Most festgestellt wurden, stieg die Konzentration an assimilierbarem Stickstoff (+26 mg/l, 10 %). Die Weine aus der Behandlung D wiesen im Vergleich zur Behandlung A eine höhere Farbintensität und weniger pflanzliche Aromen auf.

Abbildung 2. Potenzieller Ertrag vor der Traubenausdünnung (A) und Traubenausdünnung (B) je nach Entblätterungsbehandlung. Unterschiedliche Buchstaben innerhalb eines Jahres weisen auf signifikante Unterschiede hin.
Abbildung 3. Konzentration von Wein- und Äpfelsäure im Most zum Zeitpunkt der Ernte je nach Entblätterungsbehandlung. Unterschiedliche Buchstaben innerhalb eines Jahres weisen auf signifikante Unterschiede hin.

Fazit

  • Der Versuch bestätigte, dass die Entblätterung in der Traubenzone vor der Blüte einen signifikanten Einfluss auf das Ertragspotenzial bei der Ernte hat.
  • Eine intensive Entblätterung vor der Blüte reduzierte tendenziell die Konzentration des Aromavorläufers Cys-3MH im Most bei der Ernte, hatte aber im Mittel über sechs Jahren keinen signifikanten Einfluss auf das Weinaroma.
  • Aufgrund des Risikos, das Produktionsziel nicht zu erreichen, und der vernachlässigbaren Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Weissweins wird eine intensive Entblätterung vor der Blüte (d.h. mehr als 50 % in der Traubenzone) nicht empfohlen.
  • Das Entfernen der Hauptblätter in der Traubenzone vor der Blüte anstelle der Seitentriebe scheint ein praktikables Verfahren zu sein, das mässige Auswirkungen auf das Ertragspotenzial und die Mostzusammensetzung bei der Ernte hat. Weitere Forschungsarbeiten zu diesem Verfahren sind notwendig, um Verbesserungen im Rebberg zu erreichen.
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