Der Landrote (Cornalin du Valais) ist wieder ein Waisenkind
Foto: Spring Jean-Laurent
Agroscope untersuchte die genetischen Mechanismen, die für die Färbung der Beerenhaut von Trauben verantwortlich sind. Die neuen Erkenntnisse haben eine Revision der Verwandtschaftsbeziehungen des Landroten (Cornalin du Valais) erforderlich gemacht und tragen zu einem besseren Verständnis der genetischen Vielfalt der Rebe bei.
Für die Rotfärbung von Pflanzengewebe ist hauptsächlich eine Klasse von Pigmenten verantwortlich, die als Anthocyane bezeichnet werden. Bei Weinreben bestimmt die Menge dieser Pigmente in den Beerenhaut die Farbe der Trauben. Die Farbe ist ein wichtiges Kriterium in der Ampelographie (Rebsortenkunde), bei der Tausende verschiedener Rebsorten in zwei Hauptkategorien eingeteilt werden: Rebsorten mit weissen und Rebsorten mit roten (schwarzen) Trauben.
Die Farbe der Beeren wird genetisch im Wesentlichen durch einen Genlocus festgelegt, d. h. eine bestimmte Stelle im Genom der Weinrebe. MybA1 heisst das entsprechende Gen, das die Farbgebung steuert, und seine Inaktivierung führt dazu, dass weisse Rebsorten keine Pigmentierung aufweisen. Jedes Gen nimmt eine genau festgelegte Position auf einem Chromosom ein und kann in vielen verschiedenen Versionen, den sogenannten Allelen, vorliegen. Jede Rebsorte hat zwei Varianten (Allele) von jedem Gen, wobei eines von der Mutter und das andere vom Vater geerbt wird.
Beim MybA1-Gen gilt ein Allel als funktionell, wenn es die Synthese von Anthocyanen ermöglicht, und als nicht funktionell, wenn es diese Produktion nicht auslöst. Die schwarze Pigmentierung der Beerenhaut stellt ein dominantes Merkmal dar, während die weisse Farbe ein rezessives Merkmal ist.
Das SUB-Allel kommt in roten Rebsorten aus dem Wallis und dem Aostatal vor…
In dieser Studie lag der Fokus auf einem bestimmten Allel des MybA1-Gens namens SUB, welches mit einigen ungewöhnlichen Eigenschaften verbunden ist. Tatsächlich kommt es in roten und weissen Rebsorten vor, was Fragen über seine Fähigkeit zur Aktivierung der Synthese von Anthocyanen aufwirft. Die Rolle dieses Allels wird nach wie vor kaum verstanden. Tatsächlich lässt sich mit herkömmlichen genetischen Modellen die Farbe der Beeren nicht vorhersagen, wenn dieses Allel vorkommt.
Im Rahmen dieser Studie wurde das SUB-Allel in mehreren roten Rebsorten identifiziert, die aus dem Wallis und dem Aostatal stammen (Abbildung 1). Die Sorten dieser Gruppe sind eng miteinander verwandt. Ähnlichkeiten zwischen bestimmten Rebsorten aus dem Wallis und dem Aostatal wurden bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den ersten Ampelographen festgestellt. Genetische Analysen im Jahr 2003 legten nahe, dass Landroter (Cornalin du Valais) aus einer natürlichen Kreuzung zwischen Petit Rouge und Mayolet, zwei Rebsorten aus dem Aostatal, entstanden war. Unsere Ergebnisse entkräften diese Hypothese nun jedoch endgültig. Der Landrote trägt nämlich die beiden Allele SUB und ALF des MybA1-Gens, was die Möglichkeit ausschliesst, dass er von zwei Eltern abstammt, die wie Petit Rouge und Mayolet nur die Allele SUB und ITA haben.

… und in einigen weissen Rebsorten
Die heute angebauten Rebsorten sind das Ergebnis eines Domestikationsprozesses ausgehend von Vitis sylvestris, dem wilden Vorfahren der Kulturrebe mit schwarzer Beerenhaut. Obwohl weisse Rebsorten seit der Antike bekannt sind, ging man bisher davon aus, dass eine einzige Mutation zu ihrer Entstehung geführt hat. Unsere Ergebnisse deuten jedoch auf einen zweiten Mechanismus mit Beteiligung des SUB-Allels hin, das in verschiedenen weissen Rebsorten wie Sultanina, Khusaine Belyi oder Otcha Bala zu finden ist (Abbildung 2). Der in unserer Studie aufgezeigte Mechanismus ergänzt nun das Modell der genetischen Steuerung der Pigmentierung von Weinbeeren.

Fazit
- Der Landrote (Cornalin du Valais) ist nicht wie bisher angenommen das Ergebnis einer natürlichen Kreuzung zwischen Petit Rouge und Mayolet.
- Die Ampelographie zeigt, dass es bis heute keine Kombination bekannter Rebsorten gibt, die den Ursprung des Landroten erklären könnte.
- Mindestens ein Elternteil ist unbekannt, wahrscheinlich eine alte Rebsorte, die heute ausgestorben ist.
Literaturhinweis
A divergent haplotype with a large deletion at the berry color locus causes a white-skinned phenotype in grapevine.