FiBL

Biodiversität lässt sich durch nachhaltige Landwirtschaft und geeignete Habitate schützen

Das FiBL zeigte in einer Literaturübersicht, dass es für den Schutz der Biodiversität sowohl nachhaltig bewirtschaftete Agrarlandschaften als auch geeignete, möglichst ungestörte Habitate braucht.

Biodiversitätsschutz auf Landschaftsebene ist ein zentrales Thema in der nachhaltigen Landnutzung. Viele Länder haben dazu Konzepte und Massnahmen entwickelt, wie zum Beispiel die Schweiz mit der «Strategie Biodiversität Schweiz und Aktionsplan». Wie dies am besten gelingt, wird jedoch kontrovers diskutiert. In der Landwirtschaftsdebatte konkurrieren dabei oft zwei gegensätzliche Ansätze: der eine fordert, auf weniger Fläche intensiv zu produzieren, um dann mehr ungenutzte Flächen als naturbelassene Räume zur Biodiversitätsförderung zu verwenden. Produktion und Biodiversitätsschutz sind dabei möglichst getrennt («Land Sparing»). Der andere betont, dass eine Landschaft, in der nachhaltige Landwirtschaft und Biodiversitätsförderung eng verzahnt auf agrarökologischen Produktions- und naturnahen Flächen stattfinden, die Biodiversität besser fördere («Land Sharing»).

Die ideologische Debatte zu Sparing und Sharing ist nicht zielführend

Diese Debatte wird oft mit ideologischen Argumenten und verhärteten Fronten geführt, und die beiden Positionen führen zu sehr unterschiedlichen Handlungsempfehlungen. Teils wird auch argumentiert, dass die Debatte der Komplexität des Themas nicht gerecht werde und nicht zielführend sei. Dennoch taucht sie gerade in Diskussionen zu nachhaltiger Landwirtschaft und Biodiversitätspolitik immer wieder auf. Deshalb hat das FiBL die dazu verfügbaren empirischen Studien systematisch zusammengestellt und analysiert. So kann die Faktenlage geklärt und zu einer konstruktiveren Diskussion beigetragen werden.

Die Datenlage ist dünn und verzerrt – wichtige Aspekte fehlen

Es gibt nur wenige Studien, die Vergleiche der beiden Strategien vorlegen, die auf umfassenden Felddaten basieren. Von 57 in der Arbeit als relevant identifizierten Studien liefern nur 17 Studien die benötigten Daten, um die Strategien zu vergleichen. Bei den anderen 40 Studien fehlen wichtige Aspekte.

Die Studien fokussieren jeweils nur auf eine oder wenige Tier- oder Pflanzenartengruppen, und auch die Gesamtheit der Studien ist einseitig: 19 der 27 in den vollständigen Studien enthaltenen Vergleiche betrachten tropische Waldvögel, sechs betrachten verschiedene Pflanzen und nur jeweils zwei betrachten Insekten oder Bodenorganismen. Studien zu Mikroben und Pilzen fehlen gänzlich.

Es werden auch nur wenige Biodiversitätsindikatoren abgedeckt. Die meisten Studien betrachteten Artendichte (22 der 27 vollständigen Vergleiche). Analysen der Artenvielfalt, der funktionalen Diversität und weiterer Biodiversitätsindikatoren fehlen.

Biodiversität braucht nachhaltig bewirtschaftete Flächen und ungestörte Habitate

Die Resultate der 17 Studien, die wirklich einen Vergleich von Sharing und Sparing erlauben, zeigen, dass in 50 Prozent der Fälle eine kontext-spezifische Kombination der beiden Strategien die besten Resultate zur Biodiversitätsförderung liefert. Bei 40 Prozent der Fälle steht Sparing besser da, wobei zu betonen ist, dass diese Fälle vor allem Waldvögel betrachten, die auf zusammenhängende natürliche Habitate angewiesen sind. Diese kommen in Agrarlandschaften wenig vor. Bei 10 Prozent der Fälle ist eine Sharing-Strategie besser. Biodiversität ist sowohl auf ungestörte Habitate wie auch auf nachhaltig bewirtschaftete Landschaften angewiesen.

Bei den 40 Studien mit unvollständigen Daten fehlen vor allem Informationen zur Art der landwirtschaftlichen Produktion und zu den Erträgen. Ohne diese ist es nicht möglich, zu beurteilen, welche Flächen in der jeweiligen Strategie mit welcher Intensität bewirtschaftet werden, um nicht nur die Vor- und Nachteile für die Biodiversität zu beurteilen, sondern auch die landwirtschaftliche Produktion.

Sparing allein mit intensiv genutzten Landwirtschaftsflächen ist keine Lösung

Die Beurteilung von Sharing- und Sparing-Strategien zur Biodiversitätsförderung auf Landschaftsebene muss in einem weiteren Kontext erfolgen. Intensive Landwirtschaft mit hohem Pestizid- und Düngereinsatz kann zwar hohe Erträge liefern, hat aber massive negative Auswirkungen auf die Biodiversität auf Feldebene, in der Landschaft und in Gewässern. Es besteht auch die Gefahr, dass die Erträge wegen dem Verlust der Bodengesundheit und Erosion abnehmen. Extensive oder ökologische Landwirtschaft ist mit ihren agrarökologischen Ansätzen gut für die Biodiversität, geht aber mit tieferen Erträgen einher.

Der Blick aufs gesamte Ernährungssystem ist entscheidend

Wir können die Aspekte von Sparing und Sharing auf Landschaftsebene gemeinsam und nachhaltig nutzen, ohne die Ernährungssicherheit zu gefährden. Dies bedeutet aber, eine produktive, zukunftsfähige und biodiversitätsfreundliche Landwirtschaft auf beschränkten Flächen in einem Systemkontext zu betrachten.

Dabei wird dann die Frage, «was» produziert wird ebenso zentral wie das «wie»: produzieren wir Nahrung oder Abfall? Heute werden in den Industrieländern etwa 30 Prozent der Produktion verschwendet. Und produzieren wir Futter oder Nahrung? Heute werden in der EU auf 60 Prozent des Ackerlands Futtermittel angebaut. Würde man diese Hebel konsequent nutzen, liesse sich beides erreichen: ausreichend Lebensmittel für alle und eine intakte Biodiversität – sowohl auf dem Feld wie auch auf Landschaftsebene.

Fazit

  • Die Debatte zu Land-Sharing und Land-Sparing wird oft mit verhärteten Fronten geführt und ist nicht zielführend.
  • Die Datenlage ist dünn und verzerrt und wenn sich daraus etwas ablesen lässt, dann dass eine kontextabhängige Kombination der Ansätze beider Strategien am besten ist: Biodiversitätsschutz in der Landschaft braucht sowohl nachhaltige landwirtschaftliche Produktion wie auch Flächen mit möglichst ungestörten Habitaten.
  • Damit dies gelingt, muss eine Ernährungssystemperspektive eingenommen und die Frage, was produziert wird gestellt werden: Biodiversitätsschutz und Ernährungssicherung bei geringerem Flächenverbrauch bedingen nicht höhere Erträge, sondern agrarökologische Systeme, weniger Nahrungsmittelverschwendung und weniger Futtermittel vom Acker.

Zum kompletten Archiv