Agroscope, ETH Zürich

Wie freiwillige Klimaschutzmassnahmen erfolgreich sein können

Private Initiativen, wie der Handel mit CO₂-Zertifikaten, können öffentliche Massnahmen zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen ergänzen. Agroscope und die ETH untersuchten, welche Faktoren die Wirksamkeit solcher Initiativen beeinflussen.

Die Schweizer Klimastrategie 2050 betont die Bedeutung privater Initiativen für die Erreichung der Klimaziele und bestärkt alle Akteure der Wertschöpfungskette, durch eigene Massnahmen Verantwortung zu übernehmen. Infolgedessen engagieren sich private Akteure wie die Genossenschaften Mooh und Fenaco und bieten Landwirtinnen und Landwirten CO₂-Zertifikate an. Da die Teilnahme an diesen privaten Inititativen freiwillig ist, spielen neben Kosten-Nutzen Überlegungen auch verhaltensökonomische Aspekte wie die Tendenz an Bewährtem festzuhalten oder die Nachahmung von Kolleginnen und Kollegen eine Rolle bei der Abschätzung des Reduktionspotenzials dieser CO₂-Zertifikate eine wichtige Rolle.

Modellierung von vier Verhaltensszenarien

Zur Berücksichtigung verhaltensökonomischer Aspekte wurde das agentenbasierte Modell FARMIND der ETH Zürich eingesetzt. Es bildet landwirtschaftliches Verhalten ab, das über rein gewinnorientierte Entscheidungen hinausgeht, und stützt sich auf Interviews und Umfragen mit 49 Milch- und Rindfleischbetrieben im Zürcher Flaachtal.

Die Studie untersuchte mithilfe des Modells den Beitrag zweier praxisnaher und gut kontrollierbarer Klimaschutzmassnahmen: den Einsatz des Futterzusatzstoffs 3-NOP (Wirkstoff von Bovaer) sowie den Ersatz von zugekauftem Kraftfutter durch selbst angebaute Körnerleguminosen. Zur Bewertung des Einflusses verhaltensspezifischer Faktoren auf die Umsetzung und damit auf die Treibhausgasreduktion wurden vier Szenarien mit unterschiedlichen Verhaltensmustern simuliert.

  • Szenario 1 (Optimierung) geht von rein gewinnmaximierenden Landwirtinnen und Landwirten aus und dient als Referenz, um die Auswirkungen von Verhaltensfaktoren abzugrenzen.
  • Szenario 2 (Nachahmung) setzt voraus, dass Landwirtinnen und Landwirte gewillt sind, Klimaschutzmassnahmen zu übernehmen, die von Kolleginnen und Kollegen in ihrem Umfeld erfolgreich umgesetzt wurden.
  • Szenario 3 (an Bewährtem festhalten) modelliert die Tendenz von Landwirtinnen und Landwirten, an Bewährtem festzuhalten, ohne sich von ihren Kolleginnen und Kollegen beeinflussen zu lassen oder ihren Gewinn zu maximieren.
  • Szenario 4 (kombiniert) kombiniert die Nachahmung von Kolleginnen und Kollegen (Szenario 2) mit der Tendenz an Bewährtem festzuhalten (Szenario 3). In diesem Szenario werden spezifische empirische Informationen zu Risikopräferenzen und wie sensitiv Landwirtinnen und Landwirte auf Änderungen aus ihrem sozialen Umfeld reagieren, berücksichtigt.

Für jedes Szenario wurde eine Preisspanne von null bis 200 Franken für die CO₂-Zertifikate simuliert. Der Vergleich der unterschiedlichen Szenarien ermöglicht es das Gesamtreduktionspotenzial von Treibhausgasen gegenüber einer reinen Gewinnoptimierung und die Wirkung unterschiedlicher Preise zu evaluieren.

Die Nachahmung bewährter Massnahmen steigert das Potenzial zur Minderung von Treibhausgasemissionen

Die Ergebnisse zeigen, dass bei rein gewinnmaximierendem Verhalten die Emissionen bei einem Kohlenstoffpreis von 150 CHF um bis zu 24 % reduziert werden könnten, wenn man das maximale Minderungspotenzial des Futterzusatzes 3-NOP zugrunde legt (siehe Abbildung). Berücksichtigt man jedoch die Zurückhaltung der Landwirte gegenüber Veränderungen, sinkt das Potenzial drastisch auf nur noch 7 %.

Die Berücksichtigung sozialer Effekte durch die Nachahmung von Kolleginnen und Kollegen, die die Massnahmen bereits umgesetzt haben, verbessert die Ergebnisse im Vergleich zu einer reinen Gewinnoptimierung deutlich und erhöht das Potenzial zur Minderung der Treibhausgasemissionen in den Simulationen auf 19 %.

Die grössten Treibhausgasreduktionen werden bei einem CO2-Zertifikatepreis von 150 CHF pro Tonne CO₂-Äquivalent erzielt. Bei darüberhinausgehenden Preisen stagniert das Potenzial für weitere Treibhausgasreduktionen.

Privatwirtschaftliche Massnahmen ergänzen den staatlichen Klimaschutz

Die Simulationen zeigen, dass bei der Bewertung des Potenzials privatwirtschaftlicher Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen, wie in diesem Fall CO2-Zertifikaten, neben der Gewinnmaximierung auch Verhaltensaspekte berücksichtigt werden müssen. In der vorliegenden Studie reduzieren die berücksichtigten Verhaltensaspekte das Reduktionspotential und die anvisierten Ziele der Schweizer Klimastrategie für 2030, die eine Reduzierung der landwirtschaftlichen Emissionen um 25 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 vorsehen, würden mit privatwirtschaftlichen Massnahmen alleine wohl nicht erreicht werden (siehe gestrichelte Linie in Abbildung 1). Dennoch spielen privatwirtschaftliche Massnahmen eine wichtige Rolle und ergänzen staatliche Klimaschutzmassnahmen.

Abbildung 1: Durchschnittliche Reduzierung der Treibhausgasemissionen pro Tonne CO2-Äquivalent in den verschiedenen Szenarien

Fazit

  • Privatwirtschaftliche Massnahmen wie CO2-Zertifikate können zur Erreichung der Emissionsziele beitragen, indem sie die Umsetzung technischer Massnahmen auf den Betrieben attraktiver machen.
  • Wenn das Potenzial von Massnahmen zur Reduktion von Treibhausgasemissionen evaluiert wird, müssen Verhaltensaspekte, wie zum Beispiel die Tendenz an Bewährtem festzuhalten, berücksichtigt werden. Unter der Annahme einer reinen Gewinnmaximierung wird das Reduktionspotenzial überschätzt.
  • Soziale Netzwerke, die es Landwirtinnen und Landwirten ermöglichen, sich über erfolgreiche Klimaschutzmassnahmen auszutauschen, erhöhen das Potenzial von freiwilligen Zertifikaten Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren.Um die Minderung von Treibhausgasemissionen in der Landwirtschaft zu erreichen, sind integrierte Strategien unerlässlich, die privatwirtschaftliche Massnahmen (wie CO2-Zertifikate) mit politischen Massnahmen (wie die Förderung von angepassten Produktionstechniken und -systemen in der Tierhaltung) kombinieren.
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