Schweizer- und EU-Milchviehbetriebe im Vergleich: Wer kann seine Kosten decken?
Foto: Christian Gazzarin,
Agroscope
Die Milchproduktion ist der wichtigste Produktionszweig der Schweizer Landwirtschaft. Der liberalisierte Käsehandel mit der EU erfordert wettbewerbsfähige Milchviehbetriebe. Doch Schweizer Betriebe produzieren die Milch weniger kostendeckend als vergleichbare EU-Betriebe.
Die Schweizer Milchviehhaltung ist aus klimatischen und topografischen Gründen standortangepasst und hätte demnach die Voraussetzungen für eine gute Wettbewerbsfähigkeit. Die Produktion übersteigt den Inlandbedarf, allerdings haben die Importe in den letzten zehn Jahren stärker zugenommen als die Exporte, wodurch auch Marktanteile verloren gingen.
Kostendeckungsgrad eines typischen Schweizer Milchbetriebs ist unter 60 %
Die Studie vergleicht typisierte Schweizer Betreibe mit Betriebstypen aus Deutschland, Frankreich, Österreich, Niederlande, Irland und Finnland aus dem International Farm Comparison Network (IFCN). Sie untersucht, inwieweit die Gestehungskosten der Milch gedeckt sind und wie sich dieser Kostendeckungsgrad über die letzten zwölf Jahre verändert hat. Auch wenn höhere Auflagen oder natürliche Erschwernisse mit Direktzahlungen kompensiert werden und die Schweizer Milchpreise im Durchschnitt 67 % über denjenigen der EU-Betriebe liegen, hat ein typischer Schweizer Betrieb aus der Hügelregion mit 21 Kühen (CH-21) einen vergleichsweise tiefen Kostendeckungsgrad von unter 60 % (Abb. 1). Dafür verantwortlich sind nicht nur deutlich höhere Strukturkosten, sondern auch die tiefe Arbeitsproduktivität. So erreicht ein durchschnittlicher niederländischer Betrieb eine mehr als vierzehnmal höhere Arbeitsproduktivität.
Inwiefern hat sich der Kostendeckungsgrad über die letzten 12 Jahre verändert?
Aufgrund der betriebsgrössenabhängigen Unterschiede wurden die Betriebstypen in zwei Grössenklassen eingeteilt: Betriebe mit weniger bzw. mit mehr als 50 Kühen.
Die langjährige Tendenz zeigt, dass der Kostendeckungsgrad bei den kleineren Betrieben auch mit den Milchpreissteigerungen in den Jahren 2022 und 2023 unter 70 % bzw. 60 % liegt und der Schweizer Betrieb zunehmend an Wettbewerbskraft einbüsst (Abb. 1).
Bei den grösseren Betrieben liegt der Kostendeckungsgrad meist über 80 %. Die Entwicklung der Betriebstypen ist weitgehend parallel und die Schwankungen korrelieren mit dem Milchpreis. Ein Trend ist kaum auszumachen mit Ausnahme des Schweizer Talbetriebes mit 70 Kühen (CH-70), der einen fortlaufend steigenden Kostendeckungsgrad aufweist, weil er die anfänglichen Wachstumskosten (Abschreibungen, Schuldzinsen, Tilgungen) fortlaufend abgebaut hat. Auffallend sind bei beiden Schweizer Betriebstypen auch die geringen Schwankungen, was auf intensivere agrarpolitische Interventionen zurückzuführen ist. Die Betriebe aus Irland, Westfrankreich und Norddeutschland konnten in den zwölf untersuchten Jahren im Durchschnitt jedes zweite Jahr einen Gewinn erwirtschaften (Abb. 2).
Arbeitssparende Techniken erhöhen die Produktivität
Um in Zukunft im Wettbewerb zu bestehen, müssen Schweizer Betriebe bereit sein, ihre eigene Arbeit tiefer zu entlöhnen oder insbesondere in der Talregion in grössere Bestände mit arbeitssparenden Techniken zu investieren. Nur so kann die die Arbeitsproduktivität markant erhöht werden. Eine ausgedehnte Weidehaltung und/oder der Einsatz von Robotertechnik bei grösseren Beständen gehören hierfür zu den erfolgsversprechenden Strategien.
Fazit
- Hohe Arbeitskosten und eine vergleichsweise tiefe Arbeitsproduktivität sind auf vielen Schweizer Betrieben ein wesentlicher Grund für den relativ geringen Kostendeckungsgrad von unter 60 %.
- Ein tiefer Kostendeckungsgrad gibt einen ökonomischen Anreiz, die Milchproduktion aufzugeben, was die Versorgungssituation bzw. die Marktanteile weiter gefährden kann. Die Situation hat sich diesbezüglich bei den meisten Betrieben mit weniger als 50 Kühen in den letzten zwölf Jahren eher verschlechtert.
- Betriebsgrössen ab 50 Kühen weisen generell einen deutlich besseren Kostendeckungsgrad auf. Dies gilt auch für den grösseren Schweizer Betriebstyp mit 70 Kühen, der sich in den letzten zwölf Jahren kontinuierlich verbessert hat.
- Die globalen Perspektiven der Milchproduktion sind sehr positiv, da die weltweite Nachfrage nach Milch stetig steigt. Wenn die standortgerechte Schweizer Milchproduktion aber wettbewerbsfähig und damit ökonomisch nachhaltig sein soll, braucht es mehr grössere Betriebe in der Talregion. Dies erfordert ein gutes Investitionsklima, wozu auch die Agrarpolitik einen Beitrag leisten könnte.
Literaturhinweis
Schweizer und EU-Milchviehbetriebe im Vergleich: Wer kann seine Kosten decken?.