Keine Anzeichen für einen Stadt-Land-Graben bei der Priorisierung agrarpolitischer Ziele
Foto: Gabriela Brändle,
Agroscope
Eine neue Studie von Agroscope und ETH zeigt, dass keine Kluft zwischen Stadt und Land bei der Priorisierung agrarpolitischer Ziele besteht. Die Schweizer Bevölkerung, von sehr ländlich bis sehr städtisch, stellt wirtschaftliche Ziele vor Umweltziele.
Eine Kluft in den politischen Einstellungen zwischen der städtischen und der ländlichen Bevölkerung lässt sich in verschiedenen Politikbereichen feststellen. Doch existiert ein Stadt-Land-Graben auch bei agrarpolitischen Präferenzen? Falls ja, könnte dies dazu führen, dass eine städtische Mehrheit (deren Lebensunterhalt nicht von der Landwirtschaft abhängt) einer ländlichen Minderheit ihre Werte und die daraus resultierenden politischen Massnahmen aufzwingt.
Eine repräsentative Umfrage geht dem Thema auf den Grund
Um diese Frage zu beantworten, haben Agroscope und die ETH Zürich die agrarpolitischen Präferenzen von 1542 Befragten in drei Schweizer Sprachregionen (deutsch, französisch, italienisch) analysiert, die folgend ihrer eigenen Aussage in sehr ländlichen bis sehr städtischen Gebieten leben. Von besonderem Interesse war die Priorisierung eines Ziels durch die Befragten, wenn dieses in direktem Zielkonflikt zu einem zweiten Ziel bewertet werden sollte. Die Umfrage-Teilnehmenden wurden zu neun verschiedenen Zielpaaren befragt (siehe Graphik).

Wirtschaftliche Ziele werden gegenüber Umweltzielen tendenziell priorisiert
Unabhängig vom Wohnort der Befragten werden niedrigere Lebensmittelpreise und höhere landwirtschaftliche Einkommen gegenüber der Reduzierung von Treibhausgasemissionen oder der Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes priorisiert. Im Gegensatz dazu ist die Reduktion von Nährstoffüberschüssen für die Mehrheit wichtiger als eines der wirtschaftlichen Ziele. Wenn ein wirtschaftliches Ziel der Verbesserung der Biodiversität gegenübergestellt wird, zeigt sich keine klare Präferenz für das eine oder das andere Ziel. Im Durchschnitt über alle Teilnehmenden sind die Präferenzen für das eine oder das andere agrarpolitische Ziel nicht besonders stark ausgeprägt.
Kaum Unterschiede zwischen ländlichen und städtischen Regionen
Die agrarpolitischen Präferenzen unterscheiden sich kaum zwischen den Wohnorten. Signifikante Unterschiede zeigen sich nur in wenigen Fällen, insbesondere bei Menschen in sehr ländlichen Gegenden. Personen aus sehr ländlichen Gebieten finden die Verbesserung der Biodiversität und die Reduktion des Pflanzenschutzmitteleinsatzes deutlich wichtiger als Befragte aus anderen Regionen. Personen aus sehr ländlichen Gebieten legen auch mehr Wert auf die Senkung der Lebensmittelpreise als auf die Steigerung der landwirtschaftlichen Einkommen, wenn diese beiden Ziele im Konflikt zueinander dargestellt werden.
Fazit
- Es gibt keinen Stadt-Land-Graben in den agrarpolitischen Präferenzen der Schweizer Bevölkerung.
- Tendenziell werden, unabhängig vom Wohnort, wirtschaftliche Ziele der Agrarpolitik höher priorisiert als Umweltziele.
- Eine Ausnahme bilden Personen aus sehr ländlichen Gebieten, denn sie finden die Verbesserung der Biodiversität, die Reduktion von Pflanzenschutzmitteln und die Senkung der Lebensmittelpreise wichtiger als Bewohner weniger ländlicher Gebiete.
- Die Politik sollte sich auf der Basis dieser Erkenntnisse darauf konzentrieren, Zielkonflikte zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Zielen zu reduzieren.
Literaturhinweis
No evidence of a rural-urban divide inprioritizing agricultural policy goals.